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Obduktion

Obduktion

Titel: Obduktion
Autoren: Robin Cook
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stattgefunden hatten, war das Wetter hell, sonnig und warm gewesen. Dieses Mal, im Dezember, war Rom wolkenverhangen, trostlos und feucht, und es regnete. Zu allem Überfluss befürchtete er, dass sie sich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in den Vatikan schleichen mussten, um das Ossuarium an seinen ursprünglichen Platz zurückzubringen. Doch diese Befürchtung war unbegründet, denn der Vatikan schien wie ein gigantischer Verein für Kardinäle zu sein. Wenn man Kardinal war, war nichts unmöglich.
    Da James das Ossuarium in der gleichen Kiste zurückbrachte, in der er es bekommen hatte, vermutete jeder, der damit zu tun hatte, dass es sich um seine persönlichen Besitztümer handelte. Man hatte weder beim Abflug noch bei der Ankunft von ihm verlangt, die Kiste zu öffnen, und auch nicht, als sie den Vatikan betraten. James hatte sie alle im vatikanischen Gästehaus Casa di Santa Marta untergebracht, benannt nach der Schutzheiligen der Gastwirte, und als sie dort eintrafen, waren sowohl das Ossuarium als auch ihr Koffer bereits angekommen. Man hatte sie auf direktem Weg vom Flughafen mit einem Wagen des Vatikans dorthin gebracht, während James und seine Begleiter über die landschaftlich schönere Strecke in die Stadt gekommen waren.

    Die Casa di Santa Marta war ursprünglich als Unterkunft für die Kardinäle gedacht, die sich während einer Konklave andächtig der Papstwahl widmen sollten. Deshalb war die Ausstattung ausgesprochen spartanisch, was für Jack eine weitere kleine Enttäuschung war. Als James ihnen erzählt hatte, dass sie alle im Vatikan wohnen würden, hatte Jack sich eine etwas üppigere Renaissanceausstattung vorgestellt.
    Besser als erwartet war jedoch der Nachtflug mit JJ verlaufen. Er hatte bereits zu Hause einen langen Mittagsschlaf gemacht und auch fast den ganzen Flug über geschlafen. Zuerst in Lauries Armen, später in Jacks. Das hatte Jack reichlich Zeit gegeben, Laurie alle Einzelheiten über das Ossuarium und seine Geschichte zu erzählen, die Laurie wie erwartet fasziniert hatte.
    »Werde ich es denn zu sehen bekommen?«, hatte Laurie gefragt.
    »Ich wüsste nicht, was dagegen spricht«, hatte Jack geantwortet.
    Um alle potenziellen Patzer der kommenden Nacht von vornherein auszuschließen, hatte James für den Nachmittag eine private Führung durch die Nekropole mit einem der Archäologen der Päpstlichen Kommission für christliche Archäologie organisiert. Als es so weit war, schlief JJ praktischerweise schon wieder, und Laurie bemerkte: »Er holt den Schlaf der letzten zwei Monate nach.« Sie hatte zuerst gezögert, sie auf der Führung zu begleiten, sich aber schließlich von James überreden lassen. Denn James hatte einige Nonnen gefunden, die auf den kleinen JJ aufpassen konnten, und eine von ihnen hatte versprochen, Laurie sofort Bescheid zu geben, wenn JJ aufwachte.
    Der Rundgang erwies sich als äußerst hilfreich. Zuerst konnten sie sich nicht vorstellen, wo genau Shawn
und Sana das Ossuarium gefunden hatten. Erst als der anwesende Archäologe ihnen auf der Touristenplattform die anhebbare Glasplatte zeigte, die den Zugang zum Petrusgrab bildete, wussten sie Bescheid.
    Obwohl Jack angesichts ihrer Pläne für die Nacht sehr nervös war, verflüchtigte sich seine Anspannung, als es so weit war. Entgegen seiner Befürchtungen mussten sie sich nämlich nicht in die Totenstadt hineinschleichen. James hatte dem Erzpriester des Petersdoms – ebenfalls ein Kardinal – ohne Umschweife erzählt, dass er an diesem Abend die Vatikanischen Grotten und das Petrusgrab besuchen wollte, und der hatte ihm eigenhändig den Schlüsselbund gegeben und ihm versichert, dass er veranlassen würde, dass man die Lichter anließ.
    Der Weg von der Casa di Santa Marta zum nordwestlichen Eingang des Petersdoms war zum Glück nicht weit. Nachdem James die Tür aufgeschlossen hatte, betrat Jack den Petersdom durch die Porta della Preghiera, das Tor des Gebets, wie er später erfuhr. Für ihn war dieser Moment der erinnernswerteste des ganzen Abends. Eine halbe Stunde vorher waren die Wolken aufgebrochen und hatten einen Mond zum Vorschein gebracht, dessen Licht nun durch die Fenster des Doms schien. Das Innere des Gebäudes war in seiner ganzen unermesslichen Weite zu sehen.
    »Wunderschön, oder?«, fragte James, der nun hinter Jack stand.
    »Schön genug, um religiös zu werden«, antwortete Jack und meinte es sogar ein wenig ernst.
    James ging durch das Seitenschiff, vorbei an der Säule des
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