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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer
Autoren: Mary Alice Monroe
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Wort. „Würde ich gerne, Darryl. Im Augenblick wird die Kleine noch untersucht. Sobald alles mit ihr in Ordnung ist, können wir …“
    „Wozu die Warterei? Kann denn nicht jemand … na ja … kann es niemand holen kommen? Jemand vom Jugendamt oder so?“
    Toy spürte, wie Panik in ihr aufstieg. Wie redete er denn über das Baby? „Guck sie dir doch wenigstens mal an! Nur ganz kurz!“
    „Wozu denn?“
    „Mach schon! Bitte! Wenn du sie siehst, wird sie dir bestimmt gefallen!“
    „Hör auf damit, ja?“
    Sie wurde laut. „Darryl, du gehst jetzt und schaust dir dein Kind an!“
    „Ich will nicht!“ blaffte er zurück.
    Die Frauen ringsum drehten sich um und betrachteten ihn vorwurfsvoll.
    „Tut mir Leid, aber ich möchte mir das Baby wirklich nicht anschauen“, erwiderte Darryl zerknirscht, massierte sich das unrasierte Kinn und schritt nervös vor der Trage auf und ab. Dann trat er ganz nahe an Toy heran, damit er so leise sprechen konnte, dass die anderen Mütter ihn nicht hörten. „Ich hab’s dir doch gesagt“, flüsterte er. „Hundertmal! Ich eigne mich noch nicht zum Vater!“
    „Du lässt sie einfach im Stich? Ohne sie nur einmal angeguckt zu haben?“
    „Wenn ich sie sehe, dann überlege ich’s mir womöglich anders. Aber ich muss nach Westen! Dies ist die ganz große Chance für meinen Durchbruch. Du weißt doch, wie hart ich dafür gearbeitet, wie lange ich darauf gewartet habe! Wenn ich jetzt nicht fahre, dann zerbreche ich mir den Rest meiner Tage den Kopf darüber, was wohl passiert wäre, wenn ich’s getan hätte! Und auf so ’ne jämmerliche Art will ich nicht mein Leben verbringen.“
    Allmählich begriff Toy. In ihrem Kopf löste sich eine Wolke von Wunschträumen in Rauch auf, verflüchtigte sich im Nichts. Sie öffnete den Mund, spürte, wie die Zunge gegen die Zähne stieß, wie sich die Lippen bewegten und wie sie ausatmete. „Dann geh!“
    Er zögerte. „Du kommst nicht mit? Und warum teilst du mir das erst jetzt mit?“
    Sie schloss die Augen, merkte, wie ihr Tränen über die Wangen kullerten. „Es tut mir Leid, Darryl, aber ich habe mir das alles anders vorgestellt. Als ich hier lag und auf dich wartete, da habe ich mir die ganze Zeit ausgemalt, wie du wohl reagieren würdest. Ich war sicher, dass du dir das Baby anschauen und die Kleine auf der Stelle ins Herz schließen würdest. Ich dachte, du wärst ein liebender Vater und Ehemann und würdest uns heimbringen, damit wir eine Familie sind, du, ich und unser gemeinsames Kind.“ Sie öffnete die Augen und erblickte Darryls übermüdetes, erschöpftes Gesicht.
    „Ich habe oft davon geträumt. Aber als du heute kamst, erkannte ich, dass du dich nie und nimmer so verhalten würdest. Ich hätte es von Anfang an nicht von dir erwarten dürfen. Du hast mir immer offen und ehrlich gesagt, wie es zwischen uns steht. Ich war’s, die sich die ganze Zeit etwas vorgemacht hat. Aber soll ich dir mal etwas Erstaunliches verraten? Ich sehe die Dinge jetzt vollkommen klar. Als ich meine Kleine im Arm hielt, da wusste ich, dass ich sie niemals im Stich lassen würde. Sie ist mein Ein und Alles. Mein ganzes Leben war ich von anderen Menschen abhängig, doch damit ist jetzt Schluss. Ich werde meinem Kind ein anständiges Leben bieten, auch wenn ich im Moment keine Ahnung habe, wie ich das schaffen soll. Mag sein, dass die Kleine mit irdischen Gütern nicht reich gesegnet sein und keinen Daddy haben wird – aber sie hat mich, und ich habe sie. Und das wird uns reichen.“
    Laut Rundfunkmeldung von zwei Uhr nachts hatte der Sturm die Küste von South Carolina gestreift und bewegte sich nun gen Norden. Als der Morgen graute, war das Wasser größtenteils aus dem Haus abgelaufen. Lovie und Cara konnten vom Hängeboden herunter.
    Cara führte ihre Mutter über den durchweichten Fußboden zum Wohnzimmer. Beide waren übernächtigt, durchnässt und trotz der brütenden Hitze ausgekühlt. Cara, die unbedingt frische Luft und Licht in die modrig und säuerlich riechenden Räume lassen wollte, half Lovie auf einen der Esszimmerstühle und eilte schnell weiter zur Haustür. Sie zog die Nägel mit der Zange heraus, löste die Sicherheitsriegel und schwang die Tür weit auf.
    Nach wie vor roch die Luft nach Sturm, rollte die zinngraue See mit gewaltigen, stahlharten Brechern an Land. Doch der Wind heulte nicht mehr so stark, und sogar einige Vögel wagten sich zwitschernd hervor. Kerzengerade standen die Fächerpalmen wieder, zerzaust zwar,
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