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Nur 15 Sekunden

Nur 15 Sekunden

Titel: Nur 15 Sekunden
Autoren: Kate Pepper
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hatte. Er hatte gewonnen. Mit der freien Hand zog er einen Schlüsselbund aus der Hosentasche, suchte einen kleinen Schlüssel heraus und schob ihn in das eiserne Vorhängeschloss.
    Seine Pistole bohrte sich mir zwischen die Rippen. Ich schrie unwillkürlich auf.
    «Sei still!» Mit zusammengebissenen Zähnen entfernte er das Vorhängeschloss und steckte es in die Tasche. Dann zog er an der Wellblechtür, die sich mit leisem Quietschen öffnete. Für mich war es das Geräusch, der Ort, der Geruch endgültiger Vernichtung.
    Es war stockfinster in dem Container. Joe schob mich hinein, den freien Arm um meine Taille gelegt, fast als würde er ein Restaurant mit mir betreten. Mit der anderen Hand drückte er mir weiterhin die Pistole in die Seite. Wäre ich nur an meine eigene Waffe gekommen. Wenn ich versuchte, danach zu greifen, würde er mich erschießen. Aber wenn ich es nicht tat, würde ich ebenfalls sterben.
    Es roch so schauderhaft nach Exkrementen in dem dunklen Raum, dass es mich im Hals würgte.
    «Daran gewöhnst du dich schon noch», bemerkte Joe.
    «Ben? Bist du hier?»
    «Er ist nicht hier.»
    «Du verdammtes Schwein!»
    «Darcy?» Die dünne Stimme schien von irgendwo weiter vorn zu kommen.
    Meine Augen hatten sich inzwischen so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass ich eine fleckige Matratze auf dem Boden erkennen konnte, einen Klapptisch, auf dem eine Vase mit orangefarbenen Plastikblumen stand, und zwei unterschiedliche Stühle. An einer Wand standen Kisten mit Mineralwasserflaschen und Konserven, davor lagen leere Flaschen und Dosen verstreut.
    «Ben? Schätzchen? Ich kann dich nicht sehen.»
    Doch die Stimme hatte Darcy gesagt, nicht Mom.
    Und dann kam ein Gespenst auf mich zugekrochen. Die Augen von silbernem Klebeband verdeckt, die Lippen rissig und blutig. Die Knie waren aufgeschürft. Der sexy Rock, den sie am Freitag getragen hatte, war an der einen Seite aufgeschlitzt, die transparente Bluse hing zerfetzt über dem braunen Top, das mit Erbrochenem besudelt war.
    «Courtney   …» Geschändet. Ihr Innerstes nach außen gestülpt. All die Verletzlichkeit, die sie niemals hatte zeigen wollen, umgab sie jetzt wie eine zweite Haut.
    Joe kicherte wie ein Fünfjähriger. «Ich hab dir doch gesagt, dass es nicht Ben ist.»
    «Wo ist er? Ich weiß, dass du ihn hast   … du hast mir das Video von seinem Handy geschickt.»
    «Nur von seiner Nummer, nicht von seinem Handy.» Als wäre es ganz selbstverständlich, dass er auch noch über die Fähigkeiten eines Identitätsräubers verfügte, wo er schon so gut darin war, anderen das Leben und die Seele zu rauben.
    «Darcy   …» Courtney war jetzt so nah bei mir, dass ich ihr Gesicht unter den zugeklebten Augen sehen konnte. Sie hatte Blutergüsse an der linken Wange, das eine Nasenloch war blutverkrustet. Und ihr Haar, ihr wunderschönes goldenes Haar, hing strähnig herab, wo es nicht vom Klebebandan den Kopf gedrückt wurde. Ich wollte sie an mich ziehen, doch die Mündung der Pistole stieß mir unerbittlich in die Rippen. «Lass ihn nicht die Tür zumachen!»
    Da ging Joe auch schon rasch zurück zur Tür, die hinaus führte in die Nacht, die Luft, die Freiheit. Noch stand sie offen, und wir mussten hindurch, ehe er uns beide in diesen Kerker sperrte.
    Kaum hatte er sich umgedreht, griff ich in die Handtasche nach der Pistole. Joe wollte die Tür gerade schließen, man hörte schon das grauenvolle Quietschen, als plötzlich eine Stimme aus der Ferne an mein Ohr drang.
    «Mom?»
    «Ben!» Ich rannte zu der Tür, die sich schloss   … immer weiter schloss.
    «Mom! Wo bist du?»
    «Ben   … lauf!»
    Joes Miene wandelte sich von selbstzufriedener Siegesgewissheit zu einer grotesken Maske des Zorns. All die Pläne und Träume, die Gefühle, Hoffnungen und wahnhaften Wünsche, die ihn hierhergeführt hatten, schienen unter der Haut zu explodieren. Sein Gesicht verzerrte sich in furchtbarer Entschlossenheit. Die ganze Anstrengung konnte doch nicht umsonst gewesen sein. Die Hindernisse auf seinem Weg zu mir waren wie Dominosteine gefallen, eines nach dem anderen: Hugo, Rich, Courtney. Nun musste noch Ben der Sache geopfert werden   …
    «Mom! Bist du da drinnen?» Seine Stimme klang jetzt näher, lauter.
    «Lauf weg, Ben! Schnell!»
    Joe hatte von der Tür abgelassen. Ich sprang aus dem Container in die kalte Nacht hinaus und musste sehen, wie dieser Wahnsinnige direkt auf meinen Sohn zustürzte. Er rannte mit ungelenken Schritten, die Arme starr
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