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Nr. 799 (German Edition)

Nr. 799 (German Edition)

Titel: Nr. 799 (German Edition)
Autoren: Yuna Stern
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richtete sie sich wieder strahlend auf und kam auf mich zu. »Komm, ich gebe dir ein paar unserer Broschüren mit, damit du unsere Regeln kennenlernst. Die Ausbilder mögen es, wenn sich die Schüler im Voraus informieren. Dadurch wirst du einen Vorsprung gewinnen und deinen Abschluss vielleicht schneller bekommen als einige deiner Mitschüler.« Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu und ihre kupferfarbenen Locken hüpften ihr vors Gesicht, während sie die Glasvitrine mit einem Schlüssel öffnete und mehrere Broschüren für mich aussuchte. Anschließend reichte sie mir die Papiere und umarmte mich spontan.
    Ich erstarrte und atmete einen starken Pfefferminzduft ein, der an ihrer Haut haftete, als hätte sie die letzten Stunden vor ihrem Tod in einer Kaugummifabrik zugebracht.
    »Jetzt lass das Mädchen los. Komm schon, Neue. Wie heißt du noch mal?«
    Als ich mich erneut umdrehte, begriff ich, dass die Alte blind sein musste. Sie sah nicht in meine Richtung, hatte einen seltsam verschleierten Blick, und trotzdem schien sie jede meiner Bewegungen und mein Aussehen zu kennen. Es war merkwürdig.
    »Nummer Siebenhundert –«, begann ich.
    »Dein richtiger Name, Kind, dein richtiger Name«, unterbrach mich die Leiterin. »Mich interessiert dieser Nummernfirlefanz einen Dreck. Die da oben wollen uns etikettieren, damit sie sich selbst wie geile Hechte vorkommen, solche Idioten.«
    »Hach, Elli.« Kimberly neben mir lachte leise los und hielt sich die Hand vor den Mund. »Wie kannst du nur so etwas sagen? Sie werden dich hören.«
    »Tja, sollen sie doch. Die wissen, was ich von denen denke«, erklärte Eleonore S. und winkte mich zu sich. »Nun komm schon, Kind, dein Name.«
    Ich ging auf sie zu, woraufhin sie mir aufmunternd auf den Rücken klopfte. »Na, jetzt trau dich. Ich beiße auch nicht. Oder weißt du ihn selber noch nicht?«
    »Hanna«, sagte ich. »M.«
    »Hanna«, wiederholte die Leiterin und lächelte mich breit an. Dabei verzogen sich die Falten in ihrem Gesicht zu einem zerknitterten Gemälde. Sie wirkte tatsächlich freundlich, dachte ich plötzlich beruhigt. Und sie war ganz sicher nicht auf den Mund gefallen.
    »Nun komm, ich zeig dir deine Zelle«, sagte sie und nahm meine Hand. Ihre Haut war warm und ein wenig schwitzig.
    »Nicht Zelle, Hanna. Die Leiterin ärgert dich nur. Dein Zimmer«, rief Kimberly uns hinterher, doch ihre Worte konnten mich nicht von meinem Unbehagen befreien. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch lief ich neben der Alten her.
    »Jaja, reg dich ab und mach deine Arbeit, Kim«, entgegnete die Leiterin schroff. »Das Mädchen wird mich schon verstehen. Das tust du doch, oder?«
    Ich nickte und erinnerte mich wieder daran, dass sie mich nicht sehen konnte. Also fügte ich dem Nicken noch ein knappes »Ja« hinzu.
    Die Leiterin führte mich durch einen gläsernen Gang, dessen Boden durchsichtig war. Darunter schimmerte violettes Wasser. Ich hielt den Atem an und blickte mich weiter um. An den Wänden hingen nur Tafeln mit irgendwelchen Anweisungen, sonst waren sie leer. Hinter ihnen entdeckte ich weitere Untersuchungs- und wahrscheinlich Klassenräume, die mit Stühlen und Tischen aus Metall möbliert waren.
    »Hanna, wie bist du zum Aufzug gekommen? Hat dir jemand geholfen?«, krächzte Eleonore S.
    »Ja, eine gewisse Märchenprinzessin oder so«, antwortete ich und zuckte wieder mit den Schultern. Ihren Namen hatte ich längst verdrängt. »Sie hat dafür gesorgt, dass die Halle unten sich plötzlich auf den Kopf drehte und es regnete und dann erschien ein Loch und ich musste mich fallen lassen«, erklärte ich und schauderte bei dem Gedanken an dieses skurrile Ereignis.
    »Was?«, zischte Eleonore S. »Die Kindertante hat was?«
    Kindertante? »Na, der werde ich später die Ohren langziehen, wenn ich sie sehe. Sie hat dich absichtlich geärgert und dir den schweren Weg gezeigt, die alte Fuchsie. Ich bringe sie um! Na ja, nicht wortwörtlich natürlich. Aber ich werde es tun. Bei meinem Namen.«
    »Den schweren Weg?«
    »Ja, sie muss eine Überführerin für die Kinderseelen gewesen sein. Verstehst du? Sie haben eigentlich die schwerste Aufgabe überhaupt. Daher glauben die Biester, dass sie sich jeden Spaß erlauben dürfen. Und jagen den Neuen ständig Angst ein. Oder verwirren sie absichtlich. Und du erinnerst dich nicht an ihren Namen?«
    Ich überlegte und erinnerte mich an ihre abgehackte Redeweise. Zu ihren Diensten, Fiona Z . »Fiona Z.?«
    »Ha, wusste ich es doch. Der
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