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Noras Erziehung

Noras Erziehung

Titel: Noras Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Belle
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eine weitere Attraktion für ihren Abend zu haben. Aberschrecklich peinlich wäre es mit Sicherheit. Doch wenn ich jetzt umkehrte, könnte ich niemals sicher sein, was dort stattgefunden hatte, und zu guter Letzt siegte schließlich meine Neugier.
    Ich hatte keinerlei Bewegungen ausmachen können, während ich auf das Gebäude starrte. Als ich aber am Fuße der Downs angelangt war, sah ich einen glitzernden Sonnenstrahl, der beim Öffnen einer Glastür aufblitzte. Ich blieb erneut stehen und entdeckte einen Mann – wahrscheinlich Nigel   –, der draußen ein Schild aufstellte, dann aber sofort wieder im Inneren des Gebäudes verschwand. Einen Moment später fuhr ein kleiner Bus vor, aus dem eine Menge Leute ausstiegen. Ich war noch zu weit entfernt, um sie erkennen zu können, aber Lucy war durch ihre Größe, die blonden Haare und das blaue Kleid deutlich auszumachen.
    Die Gruppe konnte mich zweifellos sehen, aber aus der Entfernung ganz bestimmt nicht erkennen. Ich radelte weiter, bis ich an eine Abzweigung kam. Ich nahm den Weg, der am Fuße des Hanges entlangführte. Die Felsen erhoben sich glatt und kahl neben mir, und die Scheune lag jetzt verborgen hinter der Steigung. Der klare Himmel verriet mir, dass der Mond heute besonders hell scheinen würde. Also versteckte ich mein Rad hinter einer Hecke und machte mich langsam auf den Weg bergan – mit jedem Schritt nervöser, gleichzeitig aber auch entschlossener.
    Für den ersten Teil des Weges boten mir einzelne Bäume Schutz, dann ein Buchenhain bei einem alten Kalksteinbruch, der zwischen den Bäumen in den Berg gegraben worden war. Die Winterstürme hatten eine riesige Buche umstürzen lassen, deren dicker grauer Stamm am vorderen Rand des Steinbruchs lag. Selbst in diesem Moment dachteich kurz daran, wie großartig es gewesen wäre, hier übers Knie gelegt und dann mit den Buchenzweigen gezüchtigt zu werden. Aber in dieser ganz besonderen Situation stellte der umgestürzte Baum einen geradezu idealen Ort dar, um das Restaurant ohne Angst vor Entdeckung beobachten zu können.
    Mittlerweile waren alle hineingegangen. Der parkende Minibus war der einzige Hinweis, dass überhaupt jemand anwesend war. Mich trennten immer noch fast zweihundert Meter vom nächsten Gebäude. Die Sonne über dem Tal von
White Horse
hatte sich langsam in einen glühenden, orangeroten Ball verwandelt, und als die Dämmerung sich langsam über das Land legte, brachte das eine empfindliche Kälte mit sich. Der Mond stand bereits am Himmel, und ich sah zu, wie die lebendigen Grüntöne der Landschaft sich nach und nach in ein trübes Grau verwandelten und das Gelb der Scheune den einzig verbliebenen Farbtupfer bot.
    Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass seit Eintreffen der Hawkubites etwa eine Stunde vergangen war. Die Truppe musste gerade mit dem Hauptgang beschäftigt sein, und ich rannte mit klopfendem Herzen über die Rasenfläche, die zum Haus führte. Dabei betete ich inständig, dass mich niemand entdecken würde, bis ich mich versteckt hätte. Je näher ich kam, desto lauter wurden die Stimmen und das Gelächter der Anwesenden. Sie schienen bereits alle leicht betrunken zu sein, und ich meinte, aus dem Stimmengewirr Giles’ schleppend-arroganten Ton und Stephens tiefen Bass herauszuhören.
    Als ich das Gebäude erreicht hatte, tauchte ich sofort in den dunklen Schatten eines Stützpfeilers direkt neben der Tür ein. Der Himmel hatte bereits seine nachtblaue Farbeangenommen, und die Sterne waren aufgegangen. Ich schaute hinauf in das wunderschöne Panorama und versuchte dabei, wieder einigermaßen zu Atem zu kommen. Niemand hatte mich gesehen, und ich konnte in dem allgemeinen Murmeln der Gäste keine individuellen Stimmen mehr heraushören. Irgendjemand erzählte gerade einen Witz über drei Nonnen bei der Beichte, dessen schmutzige Pointe großes Gelächter hervorrief.
    Das helle Licht im Inneren sorgte dafür, dass alles vor den Glastüren pechschwarz aussehen musste – es sei denn, man trat dicht genug heran, um das Glas zu berühren. Ich gab mir trotzdem alle Mühe, so vorsichtig wie möglich zu sein, als ich meinen Kopf neigte, um an dem Pfeiler vorbeischauen zu können. Zunächst konnte ich nur ein bisschen was sehen. Aber als ich mehr erkannte, wurde mir schnell klar, dass tatsächlich alle ihre Aufmerksamkeit nur der Unterhaltung an der langen Tafel widmeten, an der die Gäste saßen. Giles war mir am nächsten. Er saß mit dem Rücken zu mir an der Stirnseite und

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