Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Noch Viel Mehr Von Sie Und Er

Titel: Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
Autoren: Juergen von der Lippe
Vom Netzwerk:
Besitzerin, Frau Tampopo. Ich entwickelte danach nicht nur ein ganzheitliches Verhältnis zur Nudelsuppe, sondern bereite seitdem auch die betrunkenen Shrimps, wie im Film zu sehen, direkt auf dem Körper meines Mannes zu. Das spart den Abwasch. Supererotisch ist auch die Szene, in der ein Liebespaar ein Eigelb fünfmal von Mund zu Mund wandern lässt. Aber da waren Salmonellen noch kein Thema.
    Warum mein persönlicher Hut-ab-Top-Film ›Das Leben des Brian‹ keinen Oskar bekommen hat, verstehe ich bis heute nicht. Hatten die Damen und Herren von der Academy damals etwas Besseres zu tun, als sich einen vernünftigen Film anzusehen? Unauslöschbar in meiner Erinnerung ist der legendäre Kernsatz des Wärters, an dem die Schlange der Kreuzigungskandidaten vorbeimarschiert: »Zur Tür hinaus, linke Reihe anstellen, jeder nur ein Kreuz.« Dieser Film hat sich dauerhaft am Ufer meines Bewusstseins niedergelassen und kommt zuweilen aus seiner Hütte, um mir in wichtigen Situationen des Lebens einen fröhlichen Wink zu geben: »Always look on the bright side of life.«
    An grundsoliden Krimis bin ich lange Zeit nicht vorbeigekommen. Inzwischen ist mir ›Eine Leiche zum Dessert‹, in dem fünf berühmte Detektivfiguren zusammen einen kuriosen Fall lösen, der liebste von allen. Ich hab dann das Gefühl, zwanzig Filme auf einmal zu sehen und eine Menge Zeit zu sparen.
    Viel spannender als Krimis und mit einer Prise Horror versehen sind die selbst gemachten Filme, die automatisch im Kopf ablaufen und in bewegenden Bildern das eigene Schicksal auf den inneren Bildschirm zaubern. Mein persönlicher Klassiker zeigt,wie ich meinem Mann, der in einem französischen Café einen akuten Bandscheibenvorfall erleidet und sich kaum bewegen kann, beim dringend erforderlichen Gang auf die Toilette helfen muss. Die Toilette ist so klein und eng, dass einer allein kaum reinpasst. Zudem ist die Toilettentür vom vollbesetzten Schankraum aus gut zu sehen. Mein Film beschäftigt sich mit Variationen darüber, wie wir das zu bewerkstelligen versuchen. Nicht nur aus meiner Sicht. Und dazu höre ich im Geiste die Frage von Freunden: Sag mal, dieser Handy-Mitschnitt bei You-Tube, seid ihr das?

ER Film
    Das schönste Medium ist für mich das Buch, weil man beim Lesen seinen eigenen Film dreht. Das ist auch der Grund, warum mir kaum ein Film gefällt, dessen Buchvorlage ich vorher gelesen habe, denn selbstverständlich bin ich der beste denkbare Regisseur für mein Kopfkino. Sogar, wenn ich Zeitung lese, drehe ich innerlich bei einer dürren Meldung oft sofort einen kleinen Spielfilm. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die Meldung (sie stand zeitgleich in mehreren Gazetten) lautete:
    In Dülmen zog sich in einer Einkaufspassage ein Pärchen aus und liebte sich nach allen Regeln der Kunst auf dem kalten gepflasterten Boden. Augenzeugen alarmierten die Polizei, die das Paar darüber aufklärte, dass es mit einem Bußgeld von 80–100 Euro pro Kopf rechnen muss.
    Erst mal war ich geschockt. Was ist das für ein Land, wo Menschen sich herzlich lieb haben und Unbeteiligte holen die Polizei? Und schon begannen meine Reflektionen zu Filmbildern zu gerinnen. Erst mal würde ich die beiden Liebenden in einer engen Zweiereinstellung zeigen, schön mit Weichzeichner, was man bekanntlich mit Fett auf der Linse erreicht, zumindest war das früher so, dann würde ich aufziehen, sodass der Zuschauer jetzt erst realisiert: Oha, wir sind ja in einer Einkaufspassage. Dann würde ich erst mal die positiven Reaktionen zeigen, Menschen die Decken holen und Schampus oder so ein Gästebett aus der Fernsehwerbung, das sich in wenigen Augenblicken selber aufbläst. Einige haben ihre Camcorder geholt und filmen aus allen Lagen, Digitalkameras und Handys sind im Einsatz, ein Ehepaar, offensichtlich der alternativen Szene zugehörig, hat die Kinder herbeigeholt und sagt, vergesst das mit den Bienen und den Blumen, so, wie der Onkel und die Tante das machen, so geht’s richtig. Einige machen La Ola und andere Anfeuerungsgesänge, wie Ficke facke, ficke facke hoi hoi hoi! ... Einige Zocker aus den neuen EU-Ländern schließen Wetten ab, wer zuerst kommt, ein ganz Pfiffiger versucht, abzuklatschen wie beim Tanzen, wird aber ignoriert. Und zwischendurch sehen wir die beiden Denunzianten, wie sie mit der Polizei telefonieren, der Mann, dicke Brille, schlechte Zähne, Pullunder, sabbert, ein Speichelfaden hängt ihm aus dem Mundwinkel, sie Dutt, randlose Brille, sehr kleiner Mund mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher