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Nobels Testament

Nobels Testament

Titel: Nobels Testament
Autoren: Liza Marklund
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gegangen, und Richtung Westen ist ja nur Wasser. Wir haben eine Grafik, die den Fluchtweg zeigt, mit ziemlich genauen Zeitangaben. Die Polizei glaubt, dass sie um 23.05 Uhr schon südlich von Skärholmen war, denn um diese Zeit hatten sie da auch eine Sperre stehen.«
    Schyman bemerkte, dass Annika den Stift anstarrte, und warf ihn hin.
    »Was für Bilder haben wir von den Opfern?«
    Fotos von Opfern stellten oft ein Problem dar, denn sowohl amtliche Führerschein- als auch Passbilder unterlagen dem Datenschutz – eine weitere Veränderung im Kielwasser des 11. September. Die neue Zeit.
    »Von Behring und Wiesel standen andauernd im Licht der Öffentlichkeit. Von beiden gibt es ausreichend Bildmaterial. Bilder-Pelle hat auch ein Standbild von einer Fernsehaufzeichnung aus der Blauen Halle ausgedruckt. Die beiden waren Tischnachbarn, und sie sitzen da und lachen und prosten sich zu. Auch nicht die beste Qualität, aber es reicht für die Sechs und die Sieben … Und dann haben wir noch die Reaktionen unserer Hoheiten. Sie haben natürlich rein gar nichts gesehen, aber Berit hat es superdramatisch hingekriegt. Sie haben in der Prinsens-Galerie gesessen und mit ein paar Preisträgern geplaudert, als der Schuss losging. Tatsächlich lagen zwischen dem Königspaar und dem Mörder nicht mehr als zwanzig, dreißig Meter, auch wenn die Hälfte davon natürlich Steinmauern sind …«
    »Wie machen wir die Titelseite auf?«, unterbrach ihn der Chefredakteur.
    »Wir warten auf das Phantombild, die Schlagzeile wird dann so etwas wie
Das Gesicht des Mörders.
«
    Anders Schyman spürte, wie sein müdes Hirn implodierte und ganz hinten, am obersten Halswirbel, zu einer kleinen Rosine zusammenschrumpfte.
    »Wir warten auf ein Phantombild, das unsere Reporterin erstellt hat und das wir nicht drucken dürfen, weil dieser beschissene Polizeistaat uns verbietet, unseren verdammten Auftrag wahrzunehmen und die Allgemeinheit zu informieren …«
    Er sank wieder auf den Stuhl und wedelte mit der Hand.
    »Raus und Zeitung machen«, sagte er, »aber ich will mir die Eins noch angucken, bevor ihr in Druck geht.«
    Während die beiden Kollegen ihre Sachen zusammensammelten und den Raum verließen, erhob er sich wieder und trat ans Fenster, um nachzusehen, was der russische Soldat machte.
    Das Wachhäuschen war leer.
    Der Soldat war verschwunden.
    Annika ging in ihr Büro und schrieb alles auf, woran sie sich erinnerte. Sie notierte exakt, was passiert war, auch den Tanz mit Bosse. Alle Details, die ihr einfielen – was der Polizist gesagt hatte, jeden Satz, jedes Gefühl.
    Es wurde ein schlechter und ziemlich verworrener Text, aber er war ohnehin nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Sie brauchte ihn als Gedächtnisstütze. Annika hatte schon genug Gerichtsverhandlungen miterlebt und wusste genau, dass Zeugen vergaßen, was sie gesehen hatten. Erinnerungsbilder veränderten sich mit der Zeit, und sie wollte ihre authentischen Erlebnisse parat haben.
    Um keine Spuren von ihrem Text auf dem Server der Zeitung zu hinterlassen, schrieb sie direkt in ihr Online-Archiv, eine Mailbox im Internet unter der Adresse [email protected].
    Dort speicherte sie üblicherweise die Texte, auf die sie auch von anderen Rechnern aus Zugriff haben musste, oder solche, die sie vor der Zeitung verbergen wollte.
    Dann blieb sie noch ein paar Minuten sitzen, schaltete den Computer ab und ließ den Blick über die Redaktion schweifen. In ihrem Körper schrie die Müdigkeit, und doch war es zweifelhaft, ob sie an diesem Abend schlafen können würde.
    Sie sah, dass Jansson mit Zigarette und Kaffee auf dem Weg zur Raucherecke war, zog ihre Jacke an und folgte ihm.
    »Was hatte der für eine Saulaune«, sagte Jansson und sah Annika an. Sie ließ sich neben ihm nieder, ebenfalls einen Becher in der Hand.
    »So ist er immer, wenn ich in der Nähe bin«, sagte Annika und starrte in den Kaffee. »Er hat mir unglaublich übel genommen, was ich über die Inhaberfamilie und TV Scandinavia geschrieben habe. Hast du mitbekommen, dass er nicht zum Vorsitzenden des Verlegerverbands berufen wird?«
    Jansson steckte sich die hundertste Zigarette des Abends an und blies den Rauch über seinen Kaffee.
    »Ich glaube, du nimmst das zu persönlich. Er ist doch ein erwachsener Mann. Er hat eine Menge Verantwortung. Wenn er sich um jeden derartigen Kleinkram kümmern würde, würde er ja zu nichts anderem mehr kommen.«
    Annika spürte, wie die Wärme des Getränks durch das
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