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Nimm doch einfach mich

Titel: Nimm doch einfach mich
Autoren: Cecily von Ziegesar
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ich Sie nicht von der Schule verweise, ist Ihre – wenn auch kurze – Mitarbeit an Rancor .« Sie schob die letzte Ausgabe der schuleigenen Kunstzeitschrift über den Schreibtisch.
    Baby sah sich das Cover an, auf dem in schwungvoller pinkfarbener Pop-Art-Schrift »FASHION-FOKUS« stand. Sie grinste. Sie und ihre Mitschülerin Sydney Miller, ein selbsternanntes Rrriot-Girl mit einer Schwäche für Piercings, hatten im Rancor eine Modestrecke veröffentlicht, in der Jungs Mädchenkleider und Mädchen Jungsklamotten trugen. Es war ein cooles und mutiges Projekt gewesen, und Baby bedauerte, dass sie nicht in der Schule gewesen war, als die Ausgabe rausgekommen war.
    »Das Heft hat für ziemliche Aufregung gesorgt«, sagte Mrs McLean mit einem knappen Lächeln. »Obwohl ich einigen Diskussionsbedarf sehe, was Ihre, ähm, künstleri sche Vision betrifft, schätze ich es dennoch, wie viel Arbeit Sie und Sydney in den Beitrag gesteckt haben.«
    »Ich könnte einen kleinen Essay über meine Reise schrei ben, wenn Sie wollen.« Baby fixierte den Punkt zwischen Mrs McLeans buschigen Augenbrauen, die sie an die von Ernies Freund Bert erinnerten. Erfahrungsgemäß reagierten alle Lehrer begeistert, wenn man anbot, sich außerlehrplanmäßig zu engagieren. In Nantucket hatte sie für ihren dauerbekifften Ex-Freund Tom mehrere Essays geschrieben, damit er nicht von der Schule flog.
    »Das wird nicht nötig sein.« Mrs McLean blätterte durch ihr riesiges Rolodex.
    Baby runzelte die Stirn. Zu welcher Strafaktion würde sie jetzt wieder verdonnert werden? Die Pokale in der Vitrine neben dem Eingang polieren? Eingetrocknete zuckerfreie Kaugummis von der Unterseite der Birkentischplatten in der Cafeteria kratzen?
    »Ich möchte Sie bitten, Ihren Entdeckergeist mehr nach innen zu richten«, psalmodierte Mrs McLean, entnahm dem Rolodex eine Visitenkarte und schob sie zusammen mit einem Blatt Papier über den Tisch. »Ich habe Ihre Mutter bereits darüber informiert, dass Sie zwanzig Therapiestunden nehmen werden. Sobald die Behandlung abgeschlossen ist, lassen Sie die Therapeutin dieses Formular unterzeichnen und geben es hier im Sekretariat ab. Ich war so frei, den ersten Termin für Sie zu arrangieren. Er findet heute Nachmittag um vier Uhr statt. Das ist in exakt …«, sie sah auf ihre Armbanduhr, »… fünfzehn Minuten.«
    »Danke«, murmelte Baby und betrachtete misstrauisch die elfenbeinfarbene Visitenkarte. »Dr. Rebekah Janus, Psychotherapeutin« war alles, was außer einer Adresse auf der Fifth Avenue darauf stand. In einer Schule voller narzisstischer, einkaufssüchtiger Dramaqueens sollte ausgerechnet sie diejenige sein, die therapeutische Hilfe brauchte?
    Mrs McLean lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Ich habe Dr. Janus schon viele unserer Schülerinnen anvertraut, falls Sie jedoch bereits einen eigenen Therapeuten haben, sehe ich darin kein Problem. Sollten Sie die zwanzig Therapiestunden allerdings nicht bis zum Ende dieses Monats genommen haben, werden Sie sich eine Schule suchen müssen, die besser zu Ihnen passt.«
    Baby nickte.
    »Ich bin mir sicher, dass Sie die Reise in Ihr Innerstes genießen werden.« Mrs McLean erhob sich und begleitete Baby lächelnd zur Tür.
    »Ganz bestimmt«, pflichtete Baby ihr matt bei. Was blieb ihr auch anderes übrig?
    Kurz darauf betrat sie ein Sandsteingebäude auf der Fifth Avenue und fand sich wenig später in einem Wartezimmer wieder, in dem geschmacklose Van-Gogh-Drucke an den Wänden hingen. Auf einem antiken Eichentischchen stapelten sich zerfledderte Ausgaben des New Yor ker und des Economist . Kaum hatte sie sich gesetzt, riss eine elegant gekleidete, hochgewachsene blonde Frau die Tür auf.
    »Sie sind zu spät«, sagte sie sanft.
    »Tut mir leid.« Baby scharrte unbehaglich mit ihren Flip-Flops.
    »Ob ein Patient pünktlich ist oder nicht, sagt oft etwas darüber aus, wie er der Therapie gegenübersteht«, sagte die Frau, als könne sie Babys Gedanken lesen. »Hallo, ich bin Dr. Janus.« Sie streckte ihr die Hand hin und Baby schüttelte sie verhalten.
    »Wenn Sie mir bitte folgen würden.« Die Therapeutin führte Baby in ihr Behandlungszimmer. Die Wände und die Decke waren weiß gestrichen und vollkommen schmucklos, doch die riesigen, nach Westen ausgerichteten Erkerfenster verliehen dem ansonsten nüchternen Raum eine gewisse Freundlichkeit. »Hinlegen.« Dr. Janus zeigte auf eine niedrige Ledercouch, die in der Mitte des Raums stand. Es klang, als wolle
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