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Night School 03 - Denn Wahrheit musst du suchen

Night School 03 - Denn Wahrheit musst du suchen

Titel: Night School 03 - Denn Wahrheit musst du suchen
Autoren: C.J. Daugherty
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auf Allie. Warum hätte sie ihn dann noch anhören sollen?
    Dieser Gedanke erschien ihr so logisch, dass plötzlich das Adrenalin durch ihre Adern schoss und ihr eine gefährliche Kühnheit verlieh.
Ich kann das.
    Mitten in den Ruinen stehend, holte sie tief Luft und streckte die Arme aus.
    »Nathaniel! Du hast gesagt, du willst mich sehen, stimmt’s? Nun,
hier bin ich
. Komm raus und zeig dich!«
    Ihre Stimme schien sich in den düsteren Wolken zu verlieren. Langsam drehte Allie sich im Kreis und suchte in den schattigen Winkeln und Felsvorsprüngen der Burg nach Hinweisen auf Nathaniel.
    Der Regen wurde nun immer stärker. Das Haar klebte ihr an der Kopfhaut und schlängelte sich in nassen Strähnen über die Schultern.
    Raj hatte ihr eingeschärft, Nathaniel nicht zu provozieren, doch sie spürte die wachsende Wut und konnte sich nicht beherrschen. »Komm schon, Nathaniel! Du hast mich doch nicht etwa angelogen, oder? So was würdest du doch nicht tun, nicht wahr?«
    »Treib’s nicht zu weit, kleines Mädchen.«
    Die ruhige Stimme kam zugleich aus dem Turm und aus dem Empfänger in Allies Ohr. Als Allie sich umdrehte, trat Nathaniel gerade aus der Dunkelheit.
    Hektisch suchte sie nach Rachel. Doch er war allein.
    Wie letzten Sommer, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte, nahm Allie erstaunt zur Kenntnis, wie unglaublich gewöhnlich Nathaniel aussah. Mit seinem ordentlichen, dunklen Haar und dem durchschnittlichen Körperbau wäre er unter den Lehrern in Cimmeria nicht aufgefallen. Sein Gesicht war ganz hübsch, aber nicht spektakulär – die Nase etwas zu groß, die Augen ein wenig zu klein, um perfekt zu sein. Aber wie ein Monster sah er wirklich nicht aus.
    Sein teurer Anzug wirkte in dieser Umgebung völlig fehl am Platz. Er war gekleidet wie ein Banker. Die Manschettenknöpfe, die das Licht ihrer Taschenlampe auffingen, funkelten kalt.
    »Du enttäuschst mich«, sagte er. »Ich hätte schon gedacht, es läge dir so viel an deiner Freundin, dass du tust, was man dir sagt.«
    »Mir liegt genug an meiner Freundin, um dir kein Wort zu glauben«, entgegnete Allie mit breiter Brust, obwohl ihr die Hände zitterten. »Wo ist sie, Nathaniel? Wo ist Rachel? Hol sie her, oder ich mach auf der Stelle kehrt.«
    Und um zu zeigen, dass sie es ernst meinte, trat sie zwei Schritte zurück. Er hob die Hand.
    »Christopher hatte recht, was dich betrifft. Du hast’s immer wahnsinnig eilig«, sagte er mit einem kalten Lächeln. »Nie nimmst du dir die Zeit, eine Sache zu Ende zu denken.«
    Bei der beiläufigen Erwähnung dieses Namens stockte Allie der Atem, doch sie wollte Nathaniel nicht zeigen, wie weh ihr der Gedanke an ihren Bruder tat, der sie verlassen hatte.
    Nathaniel sollte denken, dass es ihr egal war.
    »Hör mir bloß mit Christopher auf, sonst fang ich gleich an zu flennen.« Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. »Und jetzt will ich meine Freundin wiederhaben. Wo ist sie?«
    »Du bist wirklich außergewöhnlich stur. Hat dir das schon mal jemand gesagt?«
    Allie sah ihn herausfordernd an. »Ja. Wo ist sie?«
    Mit einem dramatischen Seufzer hob Nathaniel die rechte Hand. »Gabriel. Zeig ihr das Mädchen. Vorher kann man kein vernünftiges Wort mit ihr reden.«
    Gabe
.
    Allie kam es so vor, als würde ihr Herz auf die Größe eines Eiswürfels zusammenschrumpfen.
    Jos Mörder trat aus dem Schatten und zerrte Rachel hinter sich her wie eine Beute. Einen seiner kräftigen Arme hatte er ihr um die Brust gelegt, sodass sie sich nicht rühren konnte. Mit der anderen Hand hielt er ihr ein Messer an den Hals.
    Blass und verängstigt zitterte Rachel in seinem Griff. Ein Auge war zugeschwollen. Unter ihrer Nase sah man getrocknetes Blut. Ihre Arme waren mit blutigen Bandagen verbunden.
    Die haben sie geschlagen
.
    Obwohl sie sich alle Mühe gab, ruhig zu bleiben, fuhr ihr der Zorn wie Feuer durch die Adern.
    »Gabe!«, schrie sie, und aus dem Schrei wurde ein Schluchzer. »
Lass sie los
, du verdammter Irrer!«
    Aber Gabe grinste nur, hielt die Klinge noch näher an Rachels zarten Hals und presste die Klingenspitze gegen ihre Haut.
    Etwas an seinem Lächeln machte Allie stutzig. Sie richtete den Strahl der Taschenlampe auf sein Gesicht. Gabe war immer der Goldjunge Cimmerias gewesen – gut aussehend und athletisch, mit ebenmäßigen Gesichtszügen. Er hatte nur ein Mal lächeln müssen, und die Mädchen waren ihm verfallen.
    Jetzt war sein dichtes, blondes Haar abrasiert. Vom linken Augenwinkel bis zur Oberlippe zog sich
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