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Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren

Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren

Titel: Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
Autoren: Andy McNab
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einer stetigen Abwärtsspirale befand.
    Ich versuchte, etwas Begeisterung aufzubringen, um die Tatsache, dass wir die Bahnlinie erreicht hatten, gebührend würdigen zu können, aber das gelang mir nicht. Stattdessen rüttelte ich ihn nur an der Schulter. »Wir sind da, Tom. Wir sind da.«
    Keinerlei Reaktion. In seinem Zustand war es vermutlich egal, was ich tat oder sagte. Und was hätte er daran aufregend finden sollen, selbst wenn er den Sinn meiner Worte verstanden hätte? Wir steckten weiterhin in der Scheiße - durchnässt ausgefroren, ohne Unterschlupf -, und ich wusste nicht, wie und wo wir in den Zug gelangen sollten, wenn er endlich vorbeikam.
    Tom brach neben mir auf dem Gleis zusammen. Ich beugte mich über ihn, packte ihn unter den Achseln, hievte ihn wieder hoch und wäre dabei beinahe selbst zusammengeklappt.
    Er schnatterte vor Kälte mit den Zähnen und begann seltsam schnaubende Laute von sich zu geben.
    »Wir müssen noch ein Stück weiter«, brüllte ich ihm ins Ohr. »Wir müssen einen Bahnhof finden.«
    Ich wusste nicht mehr, ob ich mit Tom oder mir selbst sprach.
    Ich wandte mich nach links in Richtung Tallinn.
    Wir stolperten auf dem verschneiten Schotter des Gleisbetts nach Westen weiter. Wenigstens schützten die Bäume auf beiden Seiten der Strecke uns etwas vor dem heulenden Sturm. Wie lange waren wir schon auf den Schienen unterwegs? Eine halbe Stunde? Eine Stunde? Ich wusste es nicht; ich hatte längst aufgehört, auf meine Uhr zu sehen.
    Tom begann durchzudrehen, kreischte die Bäume an, weinte, entschuldigte sich bei ihnen, klappte dann wieder zusammen und versuchte, sich im Schnee einzurollen. Ich musste ihn immer wieder hochziehen und weiterschleppen, was jedes Mal etwas schwieriger wurde.
    Dann stießen wir auf eine Reihe kleiner Schuppen, die nur sichtbar waren, weil der Wind den Schnee von ihren schrägen Dachflächen gefegt hatte. Die Sichtweite betrug nach wie vor nur etwa fünf Meter, und ich sah die Schuppen erst, als sie unmittelbar vor uns aufragten.
    Ich fummelte aufgeregt nach meiner Taschenlampe und ließ Tom, der die Bäume anbrüllte, weil sie’s auf ihn abgesehen hatten, auf den Knien liegend zurück.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis ich den Schalter betätigt hatte. Bald würden meine Finger nicht einmal mehr so einfache Dinge tun können.
    Ich leuchtete die Holzschuppen ab und stellte fest, dass sie in leicht ansteigendem Gelände terrassenförmig übereinander angeordnet waren und jeweils eine Tür zum Gleis hin hatten. Die meisten Türen waren mit rostigen Vorhängeschlössern gesichert, aber eine ließ sich öffnen. Nachdem ich den Schnee mit den Füßen weggeräumt hatte, zog ich sie auf und drehte mich nach Tom um.
    Er lag im Schnee neben dem Gleis zusammengerollt und bettelte mich an, ich solle ihn schlafen lassen. Aber aus diesem Schlaf hätte es kein Erwachen mehr gegeben.
    Als ich ihn hochzog, schlug er mit seinen letzten Kraftreserven wild um sich, als habe er einen Anfall. Es hatte keinen Zweck, ihn niederringen zu wollen; dazu fehlte mir einfach die Kraft. Ich ließ ihn zu Boden sinken, packte mit beiden Händen den Rand seiner Kapuze, schleppte ihn rückwärts stolpernd durch den Schnee und hatte dabei Mühe, mich auf den Beinen zu halten.
    Ich redete nicht mehr mit ihm; dazu fehlte mir die Kraft.
    Die Tür war so niedrig, dass ich mich bücken musste, um unter dem Querbalken hindurchzukommen, und das Dach war kaum höher, aber sobald ich aus dem Wind heraus war, kam es mir sofort wärmer vor. Auf dem Boden des nur etwa drei mal drei Meter großen Schuppens sah ich Holzstücke, altes Werkzeug und eine rostige Schaufel mit halb durchgebrochenem Stiel liegen - lauter Krempel, der sich über Jahre hinweg angesammelt hatte und jetzt den Boden aus festgestampfter Erde bedeckte.
    Tom blieb liegen, wo ich ihn hatte fallen lassen. Als ich die Taschenlampe auf ihn richtete, konnte ich sehen, dass er zusammengerollt dalag, aber die Hände ausstreckte, deren Gelenke abgeknickt waren, als leide er plötzlich unter schwerer Arthritis. Seine kurzen, hechelnden Atemzüge vermischten sich mit meinen und ließen im Licht der Taschenlampe kleine Dampfwolken aufsteigen. Er würde es nicht mehr lange machen, wenn ich mich jetzt nicht zusammenriss und etwas unternahm, um ihn zu helfen.
    Warum konnte dieser Geräteschuppen für Bahnarbeiter keine Jagdhütte sein? In sehr kalten Gegenden ist es üblich, in Hütten Feuerholz zu stapeln, damit jemand, der zu erfrieren
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