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Nicht schwindelfrei - Roman

Nicht schwindelfrei - Roman

Titel: Nicht schwindelfrei - Roman
Autoren: Haymon Verlag
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ohne Blitzlicht erlaubt. Tiere haben nur ganz ausnahmsweise Zugang zu den Sälen, Blindenhunde zum Beispiel.
    Paul kam Marion vor wie ausgewandert und nicht mehr erreichbar.
    Am Geburtstagsabend trafen sie sich in Marions Lieblingsrestaurant „Da Teresita“.
    Auf unser Wohl, sagte Marion, als sie die Gläser hoben. Ihr Blick suchte einen Ort zum Verweilen und fand ihn in Pauls Gesicht.
    Auf unser Wohl und Weh, sagte Paul.
    Sie tranken einen Schluck und wussten nicht gleich weiter.
    Paul fragte Marion, wie sie vorangekommen sei mit ihrem neuen Beruf.
    Sie lachte. Fast ein Jahr war es her, dass sie die Kurse im Schwarzwald aufgegeben hatte. Ich habe alles, sagte sie, an den Nagel gehängt.
    An den Nagel?
    Ja.
    Ich weiss jetzt nicht, was sagen, sagte Paul nach einer Pause.
    Gratuliere mir, schlug Marion vor. Sie lachte wieder.
    Hier begann der vergnügliche, später fast ausgelassene Teil des Abends. Marion tat so, als hätte sie Pauls Namen vergessen. Ach du, du Dings – ach Peter, Pepe, Peppone!
    Auf der Strasse hängte sich Marion an Pauls Arm. Er gab sich Mühe, ihr einen festen Halt zu bieten, übernahm auch ihren Schritt, der in den festlichen Schuhen kürzer war als gewöhnlich.
    Sie beendeten die Feier, als Marion sich abgeschminkt hatte, mit Zärtlichkeiten in Marions Bett, mit all dem überraschend Vertrauten, das die Gewohnheit schenkt. Paul nannte die Zutaten: Zimt und Zauber.
    Sie verbrachten ein langes Wochenende in einem vornehmen Hotel in Rom, das Geschenk eines Reise­veranstalters, dem Marion die Adresse einer Kontaktperson in der russischen Provinz vermittelt hatte. Marion sprach italienisch und Paul verstand immerhin, was sie sagte. Er folgte den Gesten der Menschen, die Wege samt Abzweigungen und Abkürzungen so lebendig in die Luft skizzierten, dass der Stadtplan überflüssig wurde. Auf die Sehenswürdigkeiten hätte Paul verzichten können, doch die gehörten nun mal zum Reisen und ganz besonders zu Rom. Die Piazza Navona, von tausend Blicken betatscht, war müde vom Angeschautwerden. Paul blieb vor einer Auslage stehen, die Teigwaren, gestreckt und spiralig, gefaltet zu drei- und viereckigen Täschchen, in Ringen, Röhren, Schneckenformen anbot. Die Suppeneinlagen bildeten ein eigenes, dicht bewohntes Quartier.
    Marion und Paul bogen in Strassen ein, schwenkten in Gassen ab, stiegen Treppen empor. Alles sei römisch in Rom, stellte Paul fest, jeder Abfalleimer, jede Ampel, jede Baustelle.
    Eine Strasse führte himmelwärts. Die Wolken zogen so rasch heran, dass man meinen konnte, man jage ihnen entgegen, befördert von der Erdumdrehung. Der Wind, der einem ins Gesicht blies, wurde zum Fahrtwind. Die Täuschung, auch wenn man sie durchschaute, verhalf zu einem kosmischen Gefühl.
    Paul lachte laut zu den Wolken hinauf. Marion lachte fröhlich mit. Sie hatte herausgefunden, dass sie Paul nicht zu verstehen brauchte.
    In der Chiesa di San Carlo wurde eine Messe gelesen. Der brüchige gregorianische Gesang des alten Priesters, der zu laut aus Lautsprechern kam, stiess an die Wände, die Gewölbe. Aus den Tiefen der Bänke antwortete ihm das Volk, brummend die Männer, eindringlich und hell die Frauen.
    Pax vobiscum.
    Et cum spiritu tuo.
    Paul und Marion lagen in einem Doppelbett mit gedrechselten Pfosten und Baldachin, zufrieden darüber, dass sie all das Viele und Schöne nun gemeinsam erlebten. Sogar für einen Besuch der Galleria Nationale d’Arte Antica würde die Zeit noch reichen.
    Caravaggios „Judith und Holofernes“ wird dir
wohl zu schaffen machen, sagte Marion. Sie kannten das Bild aus Büchern.
    Eine schöne Frau, diese Judith, sagte Paul. Sie gleicht dir, Marion, ihr habt beide diesen sicheren Griff.
    In den Flughafenhallen lief Marion mit dem Rollkoffer munter voran. Endlich war einer der Ausflüge zustande gekommen, der ihr vorgeschwebt war. Zu lange hatte sie ertragen müssen, dass ein Angebot nach dem anderen ungenützt blieb, dass ein Gutschein nach dem anderen verfiel. Jetzt konnte sie hoffen, Paul würde sich auch zu einer Reise nach San Francisco überreden lassen.
    Paul dachte über die Sehenswürdigkeiten nach, bei denen so wenig zu sehen übrig blieb. Man ging an den empfohlenen Fassaden und Brunnenfiguren vorbei und was man sah, kam einem sofort schon ziemlich bekannt vor.
    Auch in seinem Arbeitsfeld gab es diese Sehenswürdigkeiten, meisterhafte
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