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Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst

Titel: Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
Autoren: Bernhard Hennen
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auf den Platz kommen.

    Volker war so schwach, daß man für ihn einen Lehnstuhl auf die Pritsche des Leiterwagens gestellt hatte. So wie Belliesa trug auch er nur ein dünnes Büßerhemd, doch spürte er die Kälte des Winternachmittages kaum. Der Trank des Heilkundigen mußte ein Gift enthalten haben, das ihn halb im Traum gefa n gen hielt. Wie ein Meer weißer Flecken zogen die Gesichter an ihm vorbei. Etwas war an seinem Hals. Er griff danach. Ein Amulett aus Gold, daß ihm die Henkersknechte nicht abg e nommen hatten. Es zeigte eine kniende Frau, die Arme mit mächtigen Vogelschwingen daran ausbreitete. Belliesa hatte dieses Amulett getragen.
    Er blickte zu ihr. Sie stand vor ihm, stolz, hoch aufgerichtet. Man hatte sie im Gegensatz zu ihm in Ketten gelegt, so, als fürchte Ricchar, sie könne ihm immer noch entfliehen. Die Ba r din blickte zum Himmel, als erwarte sie ein Zeichen. Schwarze Wolken zogen der Stadt entgegen. Es war der kürzeste Tag des Jahres, und wie es schien, würde er sogar noch vor seiner Zeit zu Ende gehen.
    Der Spielmann war völlig ruhig, als der Wagen den Richtplatz erreichte. Dies alles mußte ein böser Traum sein. Er war Volker von Alzey, Ritter König Gunther s. Man würde ihn nicht einfach wie einen Strauchdieb hinrichten. Es war sein Schicksal, nach Aquitanien zurückzukehren und dort erneut nach der Morr i gan zu suchen. Was hatte Belliesa auch gesagt? Wenn der Ritter stirbt, wird der unscheinbare Wanderer sie wiedergewinnen!
    Zwei Männer stiegen auf den Wagen. Sie mußten ihm aufhe l fen. Seine Beine waren schwer wie Blei. Der Ritter mußte ste r ben … Die beiden Henkersknechte brachten ihn auf eines der hölzernen Gerüste. Er bekam eine Krücke, auf die er sich au f stützen konnte. Belliesa hatte man auf dem anderen Gerüst mit ihren Ketten an einen Pfahl gebunden. Sie sah wunderschön aus. Ihr flammend rotes Haar schien in dem grauen Licht von innen heraus zu glänzen. Volker war völlig gefangen von di e sem Bild.
    Zwei Reiter kamen auf den Platz. Sie trugen prächtige Rü s tungen und Maskenhelme. Einer von ihnen hielt Ricchars Dr a chenstandarte. Der andere schien der Fürst selbst zu sein. Ein Mann mit einer Fackel in der Hand trat auf Ricchar zu und reichte sie ihm.
    Rings um Belliesa hatten die Henkersknechte inzwischen Re i sigbündel angehäuft und sie mit Lampenöl übergossen. Ein einziger Funken würde genügen, um das dürre Holz in hellen Flammen auflodern zu lassen. Auf dem Platz war es völlig still. Nur das Heulen des auffrischenden Windes, der um die spitzen Giebel der Fachwerkhäuser strich, störte die Ruhe. Dann erhob Ricchar seine Stimme. »Bardin, du bist angeklagt der Zauberei! Hunderte von Männern hast du mit deinem Bann belegt und sie in den Kampf gegen mich getrieben, so daß ich deinem U n wesen mit Feuer und Schwert ein Ende bereiten mußte. Für das Leid, daß du über mich und meine Untertanen gebracht hast, verurteile ich dich zum Tode auf dem Scheiterhaufen.« Der Fürst machte eine kurze Pause. »So es hier auf dem Platz j e manden gibt, der etwas zugunsten der Verfemten vorzutragen hat, möge er nun sprechen!«
    Wieder war es still. Volker wollte etwas sagen, doch seine Zunge war geschwollen, und nur ein Röcheln kam über seine Lippen. Verzweifelt sah er sich um. Unter all den Menschen mußte es doch auch paar Männer geben, die an ihrer Seite g e kämpft hatten! Brachte denn keiner den Mut auf, für die Bardin einzutreten?
    Ricchar warf seine Fackel in die Reisigbündel des Scheiterha u fens, und fauchend loderten die Flammen empor, als Belliesa ihre Stimme erhob, ein letztes Lied zu singen:
    »O heißgelbes Feuer, das schwertweiß und
    golden aus den Scheiten strömt:
    Sei Flamme für die Soldaten in
    ihren Kasernen in Icorigium!
    Sei Höllenpein in den Adern Ricchars,
    des ungerechten Richters!
    Sei Fackel meiner Schwester, der Windsbraut,
    auf daß sie diese Stadt finde!
    Aus dem kalten Grau des Himmels
    höre ich ihre Stimme.
    Es ist das Wispern,
    das nachts in den Bäumen klingt.
    Ich weiß, es ist auch die Stimme des Schattens,
    der über euren Gräbern liegen wird!
    Spürt ihr das Beben?
    Es ist das Zornbeben meiner Schwester Erde!
    Was ihrem Leib entsproß,
    habt ihr mir zum Tode bestimmt.
    Spürt ihr den vielhundertfachen Schritt
    des Verderbens, das ihr selbst in eure Stadt gerufen habt?
    Ahnt ihr den gehörnten Schatten,
    der über euren Gräbern liegen wird?
    Und was ist … «
    Der erstickende Rauch der Reisigbündel brach
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