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New York für Anfaengerinnen

New York für Anfaengerinnen

Titel: New York für Anfaengerinnen
Autoren: Susann Remke
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mit Cream Cheese und Räucherlachs.«
    »Die Freiheitsstatue.«
    »Die Freiheit, sich neu zu erfinden.«
    Zoe hielt inne: »Du hast Recht, Al. Das ist vielleicht das letzte Mal in meinem Leben, dass ich die Chance bekomme, mich noch einmal komplett neu zu erfinden.«
    »Du bist vierunddreißig, Darling, und nicht vierundsiebzig«, wandte Allegra ein.
    »Gib Gas, meine Liebe, gib Gas. Ich muss hier raus, und zwar so schnell wie möglich, sonst fühle ich mich gleich wie vierundsiebzig.«
     
    *
     
    An der Sache mit New York war natürlich ein Mann schuld. Wie an so ziemlich allem Bedeutsamen in Zoes bisherigem Leben. Genauer genommen ein toter Mann. Und so kauften Zoe und Allegra, noch bevor sie am Flughafen Tegel zum Check-in-Schalter gingen, an einem Kiosk eine druckfrische Ausgabe der Berliner Morgenpost und suchten nach den Todesanzeigen. Allegra räusperte sich respektvoll und las laut vor:
     
    Der Herr ist mein Hirte (Psalm 23)
    Völlig überraschend wurde Benjamin Nikolaus Nigmann (1.10.1976 – 29.7.2012)
aus unserer Mitte gerissen.
    Niemand wird ihn so richtig vermissen.
     
    Ein wohliges Gefühl der Selbstzufriedenheit durchflutete Zoes Körper. In etwa so, wie wenn man im Sample Sale das letzte Paar Louboutins in Größe 38 ergattert – und für die restliche Modemeute nur noch 36 oder 41 übrig bleibt. Zoe grinste Allegra an, Allegra grinste Zoe an. Dann hoben beide Frauen gleichzeitig die rechte Hand und klatschten sich ab. Wie zwei Basketball-Profis.
    » Slam dunk «, rief Zoe.
    » Slam dunk «, rief Allegra.
     
    Natürlich war Benjamin Nigmann nicht unter-der-Erde-von-Würmern-zerfressen-mausetot. Obwohl Zoe sich im Internet – rein prophylaktisch, versteht sich – einmal schlau gemacht hatte, ob Zyankali im Morgenespresso oder ein Stromschlag in der Badewanne ein schmerzhafteres Ableben garantierten. In einem Online-Forum für verhärmte Ex-Ehefrauen wurde ihr gar zur Entmannung geraten. Aber das war dann doch nicht ihr Stil. Benjamins Familie, Freunde und Kollegen würden sicherlich schnell herausfinden, dass der Scheißkerl noch lebte. Aber da würde Zoe bereits 6.405 Kilometer Luftlinie entfernt ihr neues Leben beginnen.
    »Rache«, resümierte Zoe, »ist eine völlig unterbewertete Emotion, die man sich ruhig mal gönnen darf, findest du nicht, Al?«
    »Ganz deiner Meinung«, nickte Allegra. »Wurde ja nach zehn Jahren Traummann in Warteschleife auch wirklich Zeit.«
    Traummann in Warteschleife. So hatte Zoe ihn immer etwas euphemistisch bezeichnet. Benjamin Nikolaus Nigmann, zärtlich Benni genannt, war rücksichtsvoll (»Ich lass mal die Rollos runter. Dunkelheit lindert deine Migräne«), einfühlsam (»Ich kann deine Misere gut nachvollziehen, meine Süße, aber zusammen schaffen wir das schon«) und stets reflektiert (»Deine Mutter ist zweifellos im Unrecht, aber sie hat natürlich ein Anrecht auf einen Standpunkt«). Er trug die richtigen Schuhe (nussbraune Desert Boots), die richtigen eng geschnittenen Jeans (Acme) und die richtigen Langarmshirts (American Vintage). Er aß Sushi, aber keines mit dem überfischten Blue Fin Tuna, und mindestens fünf Portionen Obst oder Gemüse am Tag, aber nur regional und biologisch angebautes, das der Saison entsprach. Er benutzte nicht nur Duschgel und Deo, sondern auch Tagescreme, und ging regelmäßig zur Pediküre. Er guckte samstags Fußball, wie jeder anständige Kerl, verhandelte aber mit seinem Chef über mehr Urlaub statt über mehr Gehalt, wie es sich für einen Kerl der Sorte »neuer Mann« gehörte. Zudem sah er auch noch verdammt gut aus. Er war lang und dünn, aber sehnig wie ein Balletttänzer. Hohe Wangenknochen und eine angehende Grübelfalte zwischen den sorgsam gestutzten Augenbrauen verliehen ihm etwas Aristokratisches. Nicht einmal sein mit Hingabe gepflegter Zweitagebart kratzte beim Küssen.
    »Was hast du eigentlich an BNN so toll gefunden?«, wollte Allegra wissen, während sie Zoe in Richtung Check-in-Schalter begleitete. Allegra sprach von Benjamin Nikolaus Nigmann nur in der von ihr erfundenen Kurzform für »blasse, nette Null«.
    »Er ist der perfekte Mann«, antwortete Zoe. »Dachte ich zumindest.«
    »Genau!«, rief Allegra. »Dachtest du! Einer, der es nicht einmal schafft, sich nach einer Stunde Bedenkzeit im Supermarkt für eine Sorte Cornflakes zu entscheiden, geschweige denn nach zehn Jahren Zusammensein für eine Frau.«
    Zoe musste zugeben, dass Benni mit Entscheidungen ein grundsätzliches Problem hatte. Mit
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