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Neva

Neva

Titel: Neva
Autoren: Sara Grant
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Arm Schmutz und Rotz von der Oberlippe.
    Nichts außer meinem eigenen Keuchen ist zu hören. Schweiß hüllt mich ein und zieht noch mehr Schmutz an. Meine Haut wird starr. Bin ich zu langsam? Jeden Augenblick könnte mich ein Stromstoß von Tausenden von Volt niederstrecken. Bei jedem Schritt frage ich mich, ob ich der Freiheit oder dem Tod ein paar Meter näher gekommen bin. Ich laufe weiter und weiter. Über mir sehe ich ein Licht flackern. Bedeutet das, dass die Protektosphäre wieder unter Strom gesetzt wird? Ich drossele das Tempo. Ein weiterer Lichtblitz. Angst lähmt mich, aber nur einen Moment lang.
    Ich renne schneller. Mein Tunnel mündet in eine große Halle, von der weitere Gänge abzweigen. Der Gang mir direkt gegenüber ist viel breiter als die anderen. Es ist nicht mehr so dunkel wie zuvor. Ich gehe langsam voran. Ich bin mir bewusst, dass die Zeit verstreicht – und ebenso bin ich mir bewusst, dass die Traurigkeit in mir wächst. Das war’s also.
    Und während ich auf den Tunnel zugehe, packt jemand meine Schulter und wirbelt mich herum. Bevor ich reagieren kann, spüre ich eine Hand in meinem Nacken. Lippen legen sich auf meine.
    Braydon.
    Mein Körper reagiert mit vertrauter Leidenschaft. Er schließt mich in seine starken Arme, und wieder sind wir eins mit der Dunkelheit.
    Dann schaltet sich mein Verstand ein.
    Braydon.
    Verrat.
    Lügen.
    Nach allem, was ich erlebt habe, ist es sein Betrug, der mir die tiefste Wunde zugefügt hat. Wut überkommt mich, und ich wehre mich gegen ihn. Ich reiße die Fäuste hoch und prügele blind auf ihn ein.
    Schützend hebt er die Hände. »Neva! Hör auf!«
    Aber ich denke gar nicht daran. Stattdessen schlage ich gezielter und mit mehr Kraft zu.
    »Neva!« Er hält meine Arme fest, presst sie an meine Seiten. Ich hole Luft und sammle mich für den nächsten Angriff. »Neva!« Er schüttelt mich.
    »Lass mich los«, knurre ich. Ich winkle die Arme an und befreie mich. »Wie hast du mich gefunden?«
    Seine Finger tasten nach meiner Halskette und berühren die Schneeflocke über meinem Herzen. »Ich habe einen Ortungschip an deinem Anhänger befestigt.«
    Ich schlage seine Hand weg. »Bei unserem ersten Kuss?«
    Er nickt.
    Ein Schluchzen steigt in meiner Kehle auf, und ich kämpfe es nieder. Er ist mir so nah. Und wieder sieht er mich an mit diesem Blick, dem ich mich nur hingeben möchte. Ich weiß nicht, wer er ist, und trotzdem sehne ich mich noch immer nach ihm – nach dem Jungen, der mich im Dunkeln geküsst hat. Aber diesen Menschen hat es ja gar nicht gegeben. Ich blinzele, um die Tränen zu verdrängen.
    Das war’s also. Das ist das Ende.
    Ich hebe das Kinn. »Wenn du mich verhaften willst, dann tu’s. Spar dir die Spielchen. Ich habe gehört, was du zu dem Polizisten gesagt hast. Ich weiß, dass du für die Regierung arbeitest.«
    Vor meinen Augen sackt er in sich zusammen. All seine Stärke und seine Zuversicht scheinen sich aufzulösen. »Ich wurde zu euch geschickt, um Sanna zu beobachten.« Er spricht so leise, dass ich ihn kaum hören kann. »Als ich dich kennengelernt habe, wurde mir allerdings sofort klar, dass du es bist, die ich im Auge behalten muss.«
    »Ich?« Es schmerzt mich zu sehr, ihn anzusehen.
    Er kommt wieder näher. Ich kann nicht fliehen. »Du bist diejenige, die die Gefahr darstellt.« Er streicht mir die Haare aus dem Gesicht. »Du hast alles verändert.«
    Ein Schimmer dringt nun aus einem der Tunnel, und ich kann Braydon endlich deutlich sehen, kann jeden Gesichtszug erkennen. Er legt seine Hände an meine Wangen. »Ich liebe dich, Neva. Was immer passiert – daran darfst du nicht zweifeln.«
    Mein Zorn ebbt ab, aber mein Körper vibriert mit jeder verstreichenden Sekunde stärker. Die Zeit wird knapp. Der Drang davonzulaufen ist enorm, und zugleich will ich für immer bei Braydon bleiben. Er küsst mich. Tränen vermischen sich auf unseren Lippen. Vielleicht kann ich ja bleiben. Vielleicht können wir doch zusammen sein. Ich will mich an ihn klammern, als er sich plötzlich losmacht.
    »Ich habe sie!«, brüllt er. »Sie ist hier.« Er schubst mich von sich. Ich taumele, kann mich jedoch auf den Beinen halten.
    Glühender Zorn. Panik. Angst. All das explodiert in mir und durchzuckt mich.
    Ein Stampfen dringt aus den Tunneln und wird lauter und lauter, als schwere Stiefel sich im Laufschritt nähern.
    »Geh«, fleht er. »Verschwinde von hier.«
    Ich renne los. Irgendwie renne ich los.
    Über die Schulter werfe ich einen
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