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Neuigkeiten aus dem Paradies: Ansichten eines Sizilianers

Neuigkeiten aus dem Paradies: Ansichten eines Sizilianers

Titel: Neuigkeiten aus dem Paradies: Ansichten eines Sizilianers
Autoren: Andrea Camilleri
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Palermo den Vucciria-Markt besuchen wollte, den er nur von Guttusos Bild her kannte, war perplex angesichts der Farben, die ihn eher an flämische Maler erinnerten. Ein Verkäufer musste eine Orange, die er ihm anbot, erst vom Schnee befreien. In den Fernsehnachrichten waren glückliche tunesische Kinder bei einer Schneeballschlacht zu sehen. Kurz befürchtete ich, auf den folgenden Bildern könnten Eskimokinder Sandburgen bauen. Das war nicht der Fall. Aber wie lange noch? Wird der Tag kommen, da wir in unseren vier Wänden sitzen und wehmütig der Klarheit, Harmonie und Schönheit von Vivaldis Vier Jahreszeiten lauschen?

WENN KRIEG EINE FRAGE DER MANNESKRAFT IST
    Wie sich vielleicht manch einer erinnert, wurde vor einiger Zeit in einem Lagerraum in Rom eine riesige Menge Akten entdeckt, die aus der Abteilung für vertrauliche Angelegenheiten des Innenministeriums stammten; Leiter der Abteilung war lange Zeit der Präfekt Federico Umberto D’Amato gewesen, dessen Kochrezepte in einer Tageszeitung ich leidenschaftlich gern las. Doch wie aus den Akten hervorging, kochte D’Amato nicht nur raffinierte Gerichte, sondern servierte den ahnungslosen Italienern noch ganz anderes: falsche Fährten, echte oder vorgetäuschte Attentate, illegale Telefonüberwachung und so weiter. In einer Geheimsitzung erklärte der unvergleichliche Präfekt stolz, wie er mit einem teuflischen Plan den Verleger Feltrinelli dazu gebracht habe, Farbe zu bekennen (Farbe bekennen hieß, einen schrecklichen Tod an einem Hochspannungsmast zu fin den, weil zufällig (!) eine Bombe explodierte, die der Verleger gerade bastelte). Der teufli sche Plan bestand in der Veröffentlichung und der Verbreitung einer ebenso anonymen wie niederträchtigen Schmähschrift mit dem Titel Feltrinelli, der impotente Kämpfer. Impotent, aber das muss man angesichts des wohl bekannten esprit de finesse des erwähnten Präfekten nicht eigens erklären, in rein sexueller Hinsicht. Gewissermaßen an seiner empfindlichsten Stelle getroffen, wäre der arme Feltrinelli also mühsam auf den Mast geklettert, um seine Manneskraft unter Beweis zu stellen. Demnach setzte der Präfekt seine Kreationen auch den engsten Mitarbeitern vor, die so taten, als schmeckten sie ihnen.
    Dieser Meldung, die vor ein paar Tagen in der Zeitung stand, waren besorgte Nachrichten über den Krieg vorangegangen, der in der Golfregion wieder in der Luft liegt. Ich hätte die beiden Ereignisse nie miteinander in Verbindung gebracht, wenn ich nicht einen durchaus seriösen Artikel gelesen hätte, der im September in der Londoner Sunday Times erschienen war. Über Jahrhunderte hat die Geschichte uns gelehrt, dass dreierlei Gründe zu einem Krieg führen: wirtschaftliche, religiöse oder ideologische.
    Nur ein einziger Krieg war die Folge einer Liebesaffäre: Ich meine den sagenhaften Krieg um Troja. Die Sunday Times lieferte für die Invasion der irakischen Truppen in Kuwait nun eine Erklärung, an der Präfekt D’Amato seine helle Freude gehabt hätte.
    Demnach war Saddam Hussein zwanzig lange Jahre, und zwar von 1960 bis 1980, nur dem Anschein nach potent.
    In Wirklichkeit fehlte es an der Substanz: Sein »Er« (ich verwende keine psychoanalytischen Termini, sondern halte mich an Moravia) war ohne Vorwarnung in Streik getreten. Und zwar, laut Sunday Times, in einen kompromisslosen Streik, der sich jeglicher anregenden oder ergänzenden Maßnahme verschloss. In der Folge wurde er (ohne Anführungszeichen, also Saddam) immer schlapper, er hatte zu nichts mehr Lust, nicht einmal essen mochte er. Glücklicherweise (oder unglücklicherweise, je nach Blickwinkel) gelang es einem kubanischen Arztehepaar, »ihn« wieder zur Mitarbeit zu bewegen. Aufgeblasen wie ein Gockel, fiel Saddam daraufhin in Kuwait ein, um der Welt zu beweisen, dass er wieder in Hochform war. Er hat es also nicht des Öls wegen getan, wie wir alle glaubten, sondern aus gewissermaßen niedrigeren Motiven.
    Aber wer hat der englischen Zeitung diesen Bären aufgebunden? Man weiß doch, dass die Sache allenfalls umgekehrt läuft: Häufig wird eine Waffe als Ersatz für einen flüchtigen »Er« eingesetzt. Denn sonst wäre Hitler ja hundertmal besser gewesen als hundert Don Juans. Und das kann nicht stimmen.

UMSCHWUNG UNTER DER BETTDECKE
    Das Ergebnis der Umfrage von Metropoli für die Zeitschrift Glamour ist eindeutig und für uns italienische Männer ein schöner Schlag ins Gesicht: 53 Prozent der Italienerinnen erklären, sie hätten
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