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Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Titel: Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg
Autoren: Else Ury
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Steintreppen mit einem tüchtigen Loch.
    Margot fing erschreckt an zu weinen, und auch Annemarie machte ein entsetztes Gesicht. Polen war aus der Weltkugel zertrümmert, und Rußland zeigte eine gehörige Beule.
    »Du bist schuld, Annemarie - du ganz allein, warum wolltest du auch immer mit anfassen, dann natürlich muß es einem ja aus der Hand rutschen - ach, was wird Fräulein Konrad sagen!«, rief Margot unter heißen Tränen.
    Annemarie stand starr. Bei ihrer Wahrheitsliebe schmerzte sie die ungerechte Beschuldigung der Freundin aufs tiefste.
    »Ich hab' ja noch gar nicht angefaßt - ich hab's doch gut gemeint! Aber wenn du so bist, bin ich mit dir Schuß auf ewig und gehe von jetzt an immer mit Marianne Davis«, rief Doktors Nesthäkchen kirschrot im Gesicht von Ärger und fing ebenfalls an zu weinen.
    Um die beiden kleinen Streithammel bildete sich sofort ein Auflauf von Neugierigen.
    »Na, was gibt's denn hier?« Professor Herwig, einer der ältesten Lehrer des Lyzeums, lugte über seine Brillengläser hinweg auf die beiden sich gegenüberstehenden heulenden Kinder.
    »Der Globus ist heruntergefallen - Polen hat ein Loch bekommen und Rußland eine Beule«, schluchzte Annemarie, denn Margot war so schmerzerfüllt, daß sie keine Auskunft geben konnte.
    »Das ist ja eine nette Geschichte!« Der alte Herr Professor griff nach der zertrümmerten Weltkugel. »Na, trocknet nur eure Tränen«, wandte er sich dann lächelnd an die weinenden Kinder. »Die Welt geht jetzt durch den Krieg ja auch in Stücke, was ist diese Weltkugel hier denn besser! Wollen es als eine gute Vorbedeutung für unsere Ostheere ansehen, daß Polen von ihnen erobert wird und Rußland seine Beule wegkriegt - hahaha«, jetzt lachte er dröhnend. Einige Lehrer und Lehrerinnen, die sich inzwischen dazu gefunden, stimmten ein.
    Den beiden kleinen Freundinnen aber war noch gar nicht zum Lachen zumute. Unter Tränen griff Doktors Nesthäkchen, da Margot tatenlos ihre in Trümmer gegangene Weltkugel beweinte, nach derselben und transportierte sie weiter. Freundin Margot, das Taschentuch vor den Augen, hinterher.
    »Ei, Kinder, was ist denn das hier für ein Leichenbegängnis?« Fräulein Hering hielt die zwei Trauernden an.
    Auch sie erfuhr von dem Unglück.
    »Wem ist denn das passiert, dir, Annemarie?«
    Doktors Nesthäkchen senkte den Blondkopf und gab keine Antwort. Nein, es verpetzte Margot, die einstige beste Freundin nicht! Lieber litt es selbst die Strafe.
    Der bisher gesenkte braune Kopf aber hob sich nach heftigem Seelenkampf plötzlich in die Höhe. »Ich habe den Globus hingeworfen«, sagte Margot leise.
    »Ich bin aber schuld daran gewesen«, fiel Annemarie lebhaft ein, sie wollte an Edelmut nicht hinter Margot zurückstehen.
    »Das ist hübsch von euch, Kinder, daß die eine nichts auf die andere kommen läßt. Das ist die wahre Freundschaft!« Freundlich schritt Fräulein Hering weiter, ohne über ihre Ungeschicklickeit zu schelten.
    Die zwei wurden noch röter als rot. Unsicher sahen sie sich an, sie schämten sich des Lobes, das sie doch eigentlich ganz und gar nicht verdient hatten.
    War es nun Annemarie oder war es Margot, welche den ersten Schritt zur Versöhnung tat? Das wußten sie nachher alle beide nicht mehr. Aber ihre Hände hielten sich plötzlich wieder gefaßt, und über dem zertrümmerten Polen gaben sich die zwei, die für »ewig schuß« sein wollten, den Versöhnungskuß. Die Rüge von Fräulein Konrad, die in Anbetracht der sich drängenden Arbeit sehr mild ausfiel, trugen sie dann getreulich gemeinsam.
    Das wäre ja auch schrecklich gewesen, wenn ein so schönes Werk, wie ihre eifrige Hilfsbereitschaft für die Verwundeten, die beiden Freundinnen entzweit hätte!
     
     
    Bis hier her ok

Für unsere Vaterlandverteidiger.
     
    »Viele Hände machen der Arbeit bald ein Ende«, auch in dem Mädchenlyzeum bewahrheitete sich dieses Sprichwort. Schon nach knapp drei Tagen war die Hauptarbeit getan, Aula und Turnhalle vollgestopft mit allem, was sich sonst auf sämtliche Schulräume verteilt hatte. Eine mächtige Küche wurde angebaut, Badeeinrichtungen geschaffen und fünfhundert Betten aufgestellt.
    Die Werktätigkeit der Schülerinnen aber begann jetzt erst eigentlich. Jede erhielt einen gedruckten Aufruf:
    »An die Schülerinnen des Schubertschen Mädchenlyzeums zu Berlin.
    In diesen schweren Tagen soll auch euch Gelegenheit gegeben werden, euch zum Wohle des Vaterlandes zu betätigen.
    Das Lehrerkollegium hat
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