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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)
Autoren: Alina Bronsky
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an. Das fand ich schon wieder tapfer.
    »Was ist Marek für ein Name?« fragte er.
    »Polnisch.«
    »Bist du Pole?«
    »Nein. Das einzige Osteuropäische an mir ist die neue Frau meines Vaters.«
    »Und wer war das?« Er deutete erst auf mein Gesicht, dann auf meine Hand.
    »Ein Rottweiler«, sagte ich.
    »Aber sehen kannst du?«
    »Nein«, sagte ich und guckte an ihm vorbei.
    Dann wandte ich mich rasch ab, damit er nicht auf die Idee kam, dass sich hier irgendjemand mit ihm unterhalten wollte, ging durch die verdammte Tür und rannte über den Flur.
    Eine noch nicht alte, etwas puppenhafte Frau, die mir merkwürdig bekannt vorkam, lief auf mich zu. Als sie mich durch den Gang rennen sah, ließ sie ihre Handtasche fallen und versuchte, mir auszuweichen. Da ich das Gleiche vorhatte, stießen wir zusammen. Mein Hut glitt herunter. Ich fing ihn auf und hörte sie vor Schreck quietschen.
    »Entschuldigen Sie bitte, ich bin heute so tollpatschig«, sagte sie und lächelte an mir vorbei. Ihr Kinn zitterte ein wenig.
    Ich wollte etwas Böses erwidern. Aber dann begriff ich, warum sie mir so bekannt vorkam. Sie hatte Jannes Gesicht, wie es in zwanzig, dreißig Jahren aussehen würde. Ich sagte gar nichts und rannte weiter.

    In der S-Bahn setzte ich mich ans Fenster und zog den Hut tiefer ins Gesicht. Der Waggon füllte sich schnell. Ich blieb wie immer allein auf dem Viererplatz.
    Ich hatte den Eindruck, beim Einsteigen hinter all den Rücken Friedrichs rötlichen Schopf gesehen zu haben. Dann war er wieder verschwunden, und ich suchte nicht nach ihm. Sollten wir uns zufällig irgendwo begegnen, hatte ich nicht vor, ihn zu grüßen. Als ob ich noch in Fußgängerzonen ging oder in Parks oder in Museen oder in Clubs oder in Sportstudios.
    Ich wollte ausnahmsweise nicht sofort wieder nach Hause. Ich fuhr zu Claudia in die Kanzlei. Ich wollte ihr im Gegenzug den Tag versauen.
    Vorher musste ich an Marietta vorbei, die Claudia immer als ihre rechte Hand bezeichnete. Dabei war sie wie ich Linkshänderin. Marietta erhob sich, als ich reinkam, und umfasste ganz fest die Tischkante, als bräuchte sie jetzt extra Halt.
    »Marek.« Sie sah zu mir hoch, und ihre volle knallrote Unterlippe zitterte ein bisschen. Ich überlegte kurz, wie es sich anfühlen würde, sich daran festzubeißen. Seit dem Rottweiler hatte ich niemanden mehr geküsst. Schon dafür gehörten alle Rottweiler dieser Welt bei lebendigem Leibe gehäutet.
    Ich seufzte und guckte kurz in Mariettas Ausschnitt. Ich mochte sie schon dafür, dass sie aufgehört hatte, mich zu duzen, als ich dreizehn geworden war. Und dass sie mich so behandelte, als würde sie auch von mir bezahlt. Außerdem schimmerte ein Hauch roter Spitze unter der nicht ganz blickdichten weißen Bluse durch.
    »Schön, dass Sie uns besuchen. Ihre Mutter ist gerade im Gespräch. Möchten Sie einen Kaffee?«
    »Ich hab’s eilig«, sagte ich. Sie stellte sich mir entschlossen in den Weg. Ich schob sie vorsichtig, aber ebenso entschlossen beiseite. Ich wollte ihr nicht wehtun.
    »Claudia!« rief ich laut.
    Die Kanzlei war hässlich, und ich fragte mich immer, ob Claudia sie so eingerichtet hatte, um zu demonstrieren, dass es hier nur um Kompetenz und nicht um Schnickschnack ging. Der Flur war lang und schmal wie eine Darmschlinge, der Boden mit einem gräulichen Teppichboden ausgelegt, links und rechts dämmerten geschlossene Milchglastüren. Dazwischen hingen gerahmte Rechtecke voller düsterer Kleckse.
    Hinter einer der Türen donnerte Claudias Stimme. Komischerweise musste ich lächeln. Ein godzillaartiger Schatten fiel auf die Tür, dann sprang sie auf, und schon rauschte Claudia heraus, im maßgeschneiderten Kostüm mit einem für eine Fünfzigjährige viel zu kurzen Rock. Ihr etwas unordentlich geschminkter Mund war zusammengekniffen, und die Augen sprühten Funken.
    »Haben wir ein Problem?«
    »Ich nicht. Du. Du hast mich angelogen.« Ich kümmerte mich nicht darum, ob der Klient mich hören konnte. »Es ist überhaupt keine Privatgruppe für ein externes Abitur. Es ist eine gottverdammte Selbsthilfegruppe für Krüppel mit einem armseligen Alleinunterhalter an der Spitze.«
    »Dann bist du da ja genau richtig.« Sie stemmte die flache Hand gegen meine Brust und schob mich weg von der angelehnten Tür. Dahinter herrschte betretenes Schweigen. Was Claudia aber keineswegs dazu veranlasste, die Stimme zu senken. »Ich habe einen Klienten, also ist es keine gute Zeit, hysterisch zu werden. Nimm deine
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