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Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)

Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)

Titel: Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
Autoren: Arne Dahl
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jetzt begriff er auf einmal. In seiner direkten Art fragte er: »Sind Sie blind?«
    Der Besucher – er wollte ihn nicht länger den Fremden nennen – erwiderte: »Ja. Ich bin von Geburt an blind.«
    »Verstehe«, sagte Nyberg und kam etwas näher. »Nein, meine Frau ist nicht mitgekommen. Sie ist beschäftigt.«
    »Stört Sie meine Anwesenheit?«, fragte der Besucher.
    Nyberg lächelte. Dieser Mann schien so direkt zu sein wie er selbst.
    »Kein bisschen. Nichts hindert mich daran, wie immer nackt zu baden.«
    Da lachte der Besucher. Er schlug die Augen auf.
    »Unglaublich, was Sie für weiße Augen haben«, sagte Nyberg.
    »Das hat man mir oft gesagt«, entgegnete der Besucher. »Ich selbst habe keine Ahnung, wie das aussieht. Allerdings wusste ich auch nicht, dass ich Zigeuner war, bis ich deshalb verprügelt wurde.«
    »Sagt man Zigeuner?«, fragte Nyberg. »Ich dachte, man würde Roma sagen?«
    »Man sagt, was man will«, antwortete der Besucher. »Ich bin ein Individuum, keine Gruppe.«
    »Blinder Bastard?«, schlug Nyberg vor.
    »Warum nicht?«, sagte der Besucher und lachte erneut.
    »Wie heißen Sie?«
    »Sie können mich Demodokos nennen«, sagte der Besucher.
    »Und Sie können mich Omiros nennen«, schlug Nyberg vor.
    »Sind Sie Grieche?«, fragte Demodokos.
    »Ich bin ein Individuum«, sagte Nyberg, »keine Gruppe.«
    Sie lachten leise, während langsam die Dämmerung anbrach.
    »Ich bin kürzlich an ein paar Orten gewesen, wo Ihre Leute nicht gut behandelt werden«, sagte Nyberg.
    »Ich bin nie woanders gewesen«, entgegnete Demodokos.
    Ein Moment verstrich. Nyberg dachte über seine Worte nach. Dann erklärte er: »Sie sitzen an einer schlechten Stelle, rein visuell betrachtet.«
    »Zeigen Sie mir den schönsten Platz«, erwiderte Demodokos.
    Nyberg führte den Besucher zu seinem Lieblingsplatz, am Rande des Strands, wo man die Sonne zwischen den Klippen untergehen sehen konnte. Erst als sie aufstanden, fiel ihm auf, dass der Besucher eine Gitarre dabeihatte.
    »Merken Sie den Unterschied?«, fragte Nyberg, als sie sich gesetzt hatten.
    »Warten Sie, ich muss es erst erspüren.«
    Sie saßen eine Weile still da.
    Dann sagte Nyberg: »Demodokos. Genau. So hat sich Homer einigen Quellen zufolge in der Odyssee genannt.«
    »Sie sind kein Grieche. Ihr Akzent klingt nach dem Land, aus dem ich gerade gekommen bin.«
    »Ich bin Schwede«, sagte Nyberg. »Ich heiße Gunnar Nyberg. Ich bin nach Chios gezogen, um ein Buch zu schreiben. Es ist jetzt fertig. Und nun weiß ich nicht so genau, was ich tun soll.«
    »Donnerwetter«, sagte Demodokos. »Ein Buch? Ein richtiges Buch?«
    »So ganz kann ich es auch noch nicht begreifen, obwohl ich heute früh erfahren habe, dass ein Verlag meinen Roman veröffentlichen will.«
    »Glückwunsch«, sagte Demodokos. »Wie heißt es denn?«
    »Nostos«, antwortete Nyberg. »Das ist griechisch für ›Heimkehr‹.«
    Demodokos nickte lange. Dann sagte er: »Ja, Sie haben recht, dieser Platz ist schöner.«
    Nyberg nickte ebenfalls. »Man sagt, Homer kehrte am Ende seiner Reise durch eine von Kriegen erschütterte Welt nach Chios zurück.«
    »Das habe ich auch gehört«, sagte Demodokos und reichte ihm die Hand. »Und ich heiße nicht Demodokos, sondern Mander Petulengro.«
    Gunnar Nyberg schüttelte ihm die Hand und sagte: »Ich wollte baden gehen. Wollen Sie mitkommen, Mander?«
    »Haben Sie Seife? Ich habe keine.«
    »Ich habe sogar Shampoo.«
    Als sie wieder aus dem Meer kamen, versank die Sonne darin und ließ es bluten. Mander Petulengro nahm seine Gitarre und fing an zu spielen. Er sang ein Lied auf Romani. Langsam versank die Sonne ganz im Meer und ließ nur einen orangefarbenen Nachklang zurück.
    »Danke«, sagte Gunnar Nyberg.
    Als er beobachtete, wie sich die allerletzten Lichtfragmente in Mander Petulengros weißen Augen widerspiegelten, war er davon überzeugt, dass der Mann sehen konnte.

Nach der Abenddämmerung
Den Haag, 16. Juli
    Paul Hjelm und Kerstin Holm heirateten still und heimlich im Rathaus von Den Haag. Ohne Trauzeugen.
    Als sie aus dem Gebäude kamen, dämmerte es. Sie fuhren nach Hause und schliefen miteinander. Zweimal.
    Dazwischen schalteten sie den Laptop an und buchten einen Flug nach Paris, vier Nächte, Mini-Flitterwochen, kamen aber nicht so weit, ein Hotel zu buchen, andere Instinkte waren stärker. Als er von hinten in sie eindrang, fiel der Rechner mit einem beunruhigenden Geräusch zu Boden, was ihnen jedoch total egal war.
    Danach
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