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Nebenwirkungen (German Edition)

Nebenwirkungen (German Edition)

Titel: Nebenwirkungen (German Edition)
Autoren: H. J. Anderegg
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Du.« Hastig erzählte sie ihrer Mutter, weshalb sie hier war. Es störte sie nicht, dass sie das gleiche noch dreimal vor verschiedenen Ärzten wiederholen musste. Sie war einfach nur glücklich, dass ihrer Mutter nichts geschehen war.
Schottland, Isle of Islay
     
    »Ich wusste nicht, dass es hier Pinguine gibt«, brummte Samantha erstaunt, als sie das Fernglas auf eine Gruppe kreischender Vögel auf der Klippe fokussierte.
    »Die müssen sich massiv verlaufen haben«, lachte Robert, der neben ihr im Gras saß und sich von den letzten Sonnenstrahlen des milden Frühlingstages wärmen ließ. »Gib mir mal das Glas, bitte.« Wie er vermutet hatte, stritten sich auf dem Felsen ein paar möwenähnliche Seevögel mit auffallend schwarzem Frack, schwarzem Kopf und Schnabel. Sie sahen tatsächlich auf den ersten Blick wie kleine Pinguine aus.
    »Tordalke. Sie sind wieder zurück vom Mittelmeer.«
    »Gibt es eigentlich auch ein Viech, das du nicht kennst?«, fragte sie spitz. Der Herr Professor konnte manchmal ganz schön anstrengend sein, wenn er in seinem Element war, aber sie genoss die stille Zeit auf der kleinen Insel mit ihm. Irgendwie passte der alte Kauz ganz gut zu ihr. Sie hatte ihn noch am selben Abend nach dem irren Ritt durch die City angerufen und ihm alles brühwarm erzählt, hatte einen Zuhörer gebraucht, um sich wieder zu beruhigen. Die Vorstellung der von einer Polizistenmeute gehetzten Samantha auf dem heißen Ofen hatte regelrechte Lachkrämpfe bei Robert ausgelöst, sodass sie schließlich nicht anders konnte, als auch in erlösendes Gelächter auszubrechen. Auch wenn sie es niemals zugegeben hätte, ein bisschen stolz war sie schon, dass ihnen das Husarenstück gelungen war, ohne erwischt zu werden.
    »Entschuldige, war nicht so gemeint.«
    »Schon klar. Ich weiß, manche Leute können mit meiner Kompetenz nicht umgehen.«
    »Ich dachte es heißt Arroganz.« Beide grinsten zufrieden. Die kleinen Sticheleien waren das Salz in ihrer lockeren Beziehung.
    »Wie geht's deiner Mutter?«
    »Ganz gut. Die Kopfschmerzen scheinen doch eher durch das posttraumatische Stresssyndrom verursacht zu sein. Gott sei Dank hat sie eine schwache Blase, sonst wäre sie wohl schon in der Röhre gewesen.«
    »Manchmal braucht es ein kleineres Übel um ein größeres zu verhindern«, lachte Robert. Sie nickte nachdenklich und sagte ernst:
    »Es hat sich übrigens bestätigt, dass starke Magnetfelder die Krankheit reaktivieren können.«
    »Diese ganze Geschichte hat mir wieder einmal bestätigt, dass Newton schon recht hatte.« Samantha blickte ihn erstaunt an. »Sir Isaac Newton, guter Kollege von mir, war auch in Cambridge«, erklärte er grinsend. »Was wir wissen ist ein Tropfen, was wir nicht wissen ein Ozean«, soll er einmal gesagt haben. Schweigend saßen sie nebeneinander, bis die Sonne schon halb im Meer versunken war. Es wurde langsam kühl und Samantha fröstelte.
    »Zeit für unseren Appetizer?«, fragte sie.
    »Der vierte Tag - demnach müsste heute Bunnahabhain dran sein, wenn ich mich recht erinnere.« Bei ihrer Ankunft auf der Isle of Islay hatten sie beschlossen, jeden Tag einen der sieben großen, hier gebrannten Single Malts zu verkosten. Ardbeg, Bruichladdich und Laphroaig hatten sie bereits erfolgreich getestet. Sie standen auf und schlenderten zufrieden zur schmalen Landstraße zurück, wo sie ihre Fahrräder abgestellt hatten.
    »Der letzte Whisky schmeckte schon reichlich torfig«, lästerte Samantha. »Hoppla, was war denn das?« Erschrocken sprang sie zur Seite. Ein Vogel flatterte protestierend davon, dessen Stimme sich wie gequältes Knarren anhörte; ein Ruf, den Robert gut kannte.
    »Ein Wachtelkönig.«
    »Dacht' ich's doch«, bemerkte sie trocken.
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