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Natur

Natur

Titel: Natur
Autoren: Antje Flade
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aufsuchen können, kann dieser Garten auch nicht in der intendierten Weise wirken (vgl. Whitehouse et al., 2001).
    Natur muss erfahrbar sein, um überhaupt wirken zu können. Ein offenes Tor zum Park signalisiert Zugänglichkeit und die Möglichkeit, Natur zu erleben. Ein geschlossenes Tor schließt dagegen aus, es lädt nicht dazu ein, das dahinter liegende Gelände zu besuchen. Ein Park, dessen Tor geschlossen ist, wirkt nicht einladend.

    Abbildung 1-16: Symbol der Zugänglichkeit: geöffnetes Tor (eigenes Foto)
    Die Umwelt sendet Reize aus, die von verschiedenen Sinnesorganen und Sinneszellen aufgenommen und enkodiert werden. Vor allem in Naturumwelten werden alle Sinne angeregt: Der Mensch blickt in die weite Landschaft, der Duft der Pflanzen steigt ihm in die Nase, er hört die Vögel singen und die Blätter rauschen, er spürt den harten Felsen unter seinen Füßen.
    Wie die Ergebnisse der neurobiologischen Forschung zeigen, hinterlassen Erfahrungen Spuren im Gehirn und zwar in Form gebahnter neuronaler und synaptischer Verschaltungsmuster (Hüther, 2008). Dass dieses Zusammenfügen nicht nur einfach eine Addition der Einzeleindrücke ist, haben Anderson und Mitarbeiter (1983) nachgewiesen. Die Forscher wählten für ihre Experimente zehn Geräusche aus, die typisch sind für Geräusche in Städten, ländlichen Gegenden und Naturlandschaften. StudentischenVersuchspersonen wurden gleichzeitig Bilder und Geräusche dargeboten. Ihre Aufgabe war, den multisensorischen Gesamteindruck auf einer 7-stufigen Skala von sehr negativ bis sehr positiv wieder zu geben.

    Abbildung 1-17: Multisensorisches Erleben von Natur (eigenes Foto)
    Wie sich zeigte, fällt die Bewertung ein und desselben Bildes je nach dem begleitenden Geräusch unterschiedlich aus. Die höchsten Skalenwerte erhielt ein Bild von einem Wald, bei dem gleichzeitig der Gesang von Vögeln zu hören war. Wurden stattdessen zu diesem Bild Straßenverkehrsgeräusche eingespielt, verringerte sich die positive Einschätzung der Waldszenen deutlich. Vogelgesang passt zum Wald, Straßenverkehrsgeräusche nicht.
    Bemerkenswerterweise wurde der Gesang von Vögeln kontextunabhängig positiv bewertet. Eine städtische Szenerie wird mehr geschätzt, wenn gleichzeitig Vogelgesang zu hören ist, und weniger, wenn gleichzeitig das Geräusch eines Motorrasenmähers ertönt. Der Gesang der Vögel erhöht die Wertschätzung, wobei es weniger darauf ankommt, ob diese akustische Simulation passt oder nicht. Die Schlussfolgerungen sind:
    • Städtische Umwelten könnten an Attraktivität gewinnen, wenn man dort Singvögel ansiedeln würde.
    • Hauptverkehrsstraßen sollten nicht an Waldgebieten, die zur Erholung aufgesucht werden, entlang geführt werden.
    Das Zusammenwirken der Sinne kommt in Bezeichnungen wie warme Farben, schwere Düfte, helle Töne zum Ausdruck. Eine Szene wird als heller wahrgenommen, wenn gleichzeitig hohe Töne zu hören sind (Schönhammer, 2009). Weil insbesondere Naturumwelten alle Sinne anregen, fördern sie auch in besonderem Maße die Entstehung komplexer neuronaler Verschaltungsmuster im Gehirn.
    Merk- und Wirkwelt
    Die aus der Ökologie stammenden Begriffe «Merkwelt» und «Wirkwelt» sind anschauliche Bezeichnungen für die beiden Seiten der Mensch-Natur-Beziehung (von Uexküll, 1909). Umwelten sind für ein Lebewesen Merkwelten, die es wahrnimmt, und zugleich auch Wirkwelten, in denen es agiert und tätig ist. Die natürlichen Grenzen der Merkwelt eines Lebewesen sind durch die ihm verfügbaren Sinnesorgane vorgegeben, seine Wirkwelt wird durch die ihm möglichen Aktivitäten definiert. Die Merkwelt umfasst all das, was ein Lebewesen wahrzunehmen in der Lage ist, die Wirkwelt, was es zu tun imstande ist. Die individuelle Merkwelt des Menschen ergibt sich nicht allein aus den Reizen, die auf die Sinnesorgane treffen, sondern auch aus den darauf folgenden Stufen der Informationsverarbeitung. Was die Wirkwelt betrifft, sind die Verbindungsstellen zur Umwelt die verfügbaren Werkzeuge. Es sind in erster Linie die Hände. Die Füße ermöglichen eine eigenständige räumliche Fortbewegung.
    Im Unterschied zu allen anderen Lebewesen ist nur der Mensch in der Lage, seine Merk- und Wirkwelt durch die von ihm entwickelten Instrumente und Werkzeuge weit über das, was seine körperliche Ausstattung ihm ermöglicht, auszudehnen. Mit Mikroskopen und Teleskopen ausgerüstet kann er seine Merkwelt ungeheuer erweitern. Ebenso ermöglichen besondere
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