Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Narben

Narben

Titel: Narben
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
besagte, daß Trafficant den Gewinn bekommen sollte und daß Lowell einen Verleger für das Tagebuch finden würde.«
    »Und Trafficant ließ sich darauf ein?«
    »Was hatte er schon zu verlieren? Lowell versprach ihm Freiheit, haufenweise Geld und vielleicht sogar Ruhm, wenn das Tagebuch ein Erfolg würde. Daß er dafür seine Gedichte hergeben mußte, damit konnte er leben. Er war schließlich ein Gauner. Geben und nehmen, das kannte er.«
    »Wieviel bekam er für die Gedichte?«
    »Hundertfünfzigtausend Dollar als Vorschuß. Fünfzig davon behielt Lowell für sich, und der Agent bekam fünfzehn. Der Rest sollte durchs Sanktum gefiltert werden und am Ende in Trafficants Tasche landen.«
    »Das hört sich an, als wären Sie von Anfang an informiert gewesen.«
    »Ich bin in die Finanzierung des Sanktum eingestiegen, weil ich an Lowell geglaubt habe.«
    »Aus Idealismus, meinen Sie.«
    »Hauptsächlich, ja, obwohl das Projekt im Zusammenhang mit dem Umschlag von Geldern und Waren auch einen gewissen Nebenzweck erfüllte, zumindest für kleinere Mengen.«
    Er zupfte an seinem Pullover. Bleichert war offensichtlich ungeduldig.
    »Ich hoffe, das ist nicht alles, was Sie uns erzählen wollen.«
    »Nein, nein«, sagte Ape, »das Beste kommt noch. Lowell hoffte, die gestohlenen Gedichte würden ihn wieder ins Geschäft bringen. Das taten sie auch, aber leider nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Die Kritiker haßten das Buch. Es war ein totaler Flop. Und Trafficants Tagebuch war der Bestseller!« Er kicherte und dachte offenbar, alle würden lachen, doch niemand verzog eine Miene. Ich mußte an den wütenden Brief an die Village Voice denken, in dem Trafficant seinen Mentor so in den Himmel hob. Er war reinem Selbsterhaltungstrieb entsprungen - der einzigen Emotion, zu der ein Psychopath fähig ist.
    »Wieso dachte Lowell, Trafficant würde den Mund halten?«
    »Lowell war total verzweifelt - und naiv, wie die meisten Künstler. Ich habe seit dreißig Jahren mit solchen Typen zu tun, glauben Sie mir, ich kenne sie. Und als der Gedichtband durchfiel, hatte er nichts mehr zu befürchten. Warum hätte Trafficant sich zu einem Buch bekennen sollen, das derart verrissen worden war, zumal sein anderes Buch so erfolgreich war? Lowell hatte ganz andere Sorgen. Er zitterte um seine Reputation. Er saß den ganzen Tag in dieser Hütte, versuchte zu schreiben, und nichts kam heraus. Dann trank er und rauchte, doch das machte alles nur noch schlimmer. Als sich die Katastrophe mit dem Gedichtband abzeichnete, trank er sich bewußtlos. Als er aufwachte, sagte er, es wäre Trafficants Versagen, nicht sein eigenes. Trafficant war auf einmal nur noch ein verkommener Verbrecher, der ihn schamlos ausgenutzt hatte. Um dieselbe Zeit wurde Terry zu Interviews mit der New York Times eingeladen und verkaufte tausend Bücher die Woche. Lowell redete nicht mehr mit ihm, und Terry spürte, daß er das Sanktum verlassen mußte. Er fühlte sich verloren und vertraute mir seine Buchverträge an. Im Grunde hatte er keine Ahnung, wie es in der wirklichen Welt zuging. Also hielt er sich an mich.«
    »Und Sie nahmen alles auf Tonband auf.«
    »Nur zu seinem Schutz.« Bleichert verzog das Gesicht.
    »Trafficant schüttete Ihnen also sein Herz aus, weil er sich so verloren fühlte.«
    »Ja, er brauchte jemanden, mit dem er reden konnte.«
    »Sie haben uns immer noch nichts über den Mord erzählt.«
    »Das war zwei Tage nach dem Unfall mit dem Mädchen. Lowell wuchs alles über den Kopf. Er war drauf und dran, die Siedlung dichtzumachen. Er sagte Terry, er solle verschwinden, und der drohte dann, alles publik zu machen, besonders die Sache mit den Gedichten. Als Terry sich umdrehte, schlug Lowell ihm eine Whiskeyflasche über den Kopf, immer wieder, und dann geriet er in Panik und rief mich an. Ich fuhr hin, und wir begruben Trafficant.«
    »Und damit hatten Sie Lowell für immer in der Hand. Er würde nie über Karen Best reden.«
    »Das war ganz in seinem Interesse. Sein Ruf war sowieso schon ruiniert. Ein totes Mädchen hätte ihm gerade noch gefehlt.«
    »Wo haben Sie Trafficant begraben?«
    »Direkt unter Lowells Schriftstellerklause - Inspiration hatte er die Hütte genannt. Dort hat er ihn auch erschlagen. Der Boden war nackte Erde. Sie brauchten nur ein Loch zu graben.«
    »Wer hat gegraben?«
    »Lowell, Mellors und Graydon.«
    »Wieso war Mellors dabei?«
    »Er war immer in Lowells Nähe. Er dachte, wenn er Lowell in den Arsch kriechen würde,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher