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Nacht

Nacht

Titel: Nacht
Autoren: Richard Laymon
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meinst du das?«
    »Du bist viel größer und stärker als sie.«
    »Na und?«

    »Wir müssen für faire Bedingungen sorgen.«
    »Bedingungen wofür?«
    »Für die Aufnahmeprüfung natürlich.«
    »Soll das etwa heißen, dass wir gegeneinander kämpfen sollen?«
    »Unter anderem«, erwiderte er vergnügt.
    »Die Gewinnerin wird meine Partnerin. Und die Verliererin …
    verliert.«
    »Und ich muss für diese Prüfung geschwächt werden?«
    »Ganz genau.«
    »Das ist unfair.«
    »Andersherum wäre es unfair gegenüber Judy. Du bist schon von Natur aus im Vorteil, und außerdem hat sie in letzter Zeit eine Menge durchmachen müssen.«
    »Das habe ich auch.«
    »Aber nicht so viel wie Judy. Sie wurde von Milo, mir und dir in die Mangel genommen. In ihrem momentanen Zustand hätte sie keine Chance gegen dich.«
    »Dann vergessen wir einfach die Aufnahmeprüfung und du erklärst mich von vornherein zur Siegerin.«
    »Keine Chance. Finde dich damit ab, dass du kämpfen musst. Und jetzt geh nach links.«
    »Aber wenn ich so viel besser bin als sie, dann …«
    Er stach mich in die andere Pobacke.
    »Aua!«
    Ich machte eine Drehung nach links.
    Nachdem ich eine Weile geradeaus gegangen war, trat er mir von hinten ein Bein weg, sodass ich ins Stolpern kam und schließlich hinfiel. Weil ich den Sturz nicht abfangen konnte, fiel ich voll auf meine Brust, was schrecklich wehtat.
    »Mein Gott, bist du ungeschickt!«, sagte er und lachte.
    Ich rappelte mich wieder hoch und ging weiter. Irgendwann übernahm dann Steve die Führung und zog mich an dem Kabel hinter sich her. So ging es eine ganze Weile.

    »Haben wir uns verlaufen?«, fragte ich schließlich.
    »Ich finde schon hin, keine Sorge. Leider ist das Feuer ausgegangen. Ich war den ganzen Tag nicht da, und Judy kann es in ihrem Zustand nicht am Brennen halten.«
    »Und wie sollen wir ohne Feuer das Lager finden?«
    »Ich kenne die Gegend ziemlich gut.«
    »Anscheinend nicht gut genug.«
    Er riss so fest an dem Kabel, dass ich wieder ins Straucheln geriet, aber zum Glück fiel ich nicht hin.
    Wir gingen weiter.
    Nach ein paar Minuten sagte ich: »Dürfte ich vielleicht einen Vorschlag machen?«
    »Schieß los.«
    »Aber ich will nicht, dass du mir dann wehtust.«
    »Lass das mal meine Sorge sein. Und jetzt raus mit der Sprache.«
    »Vielleicht solltest du nach Judy rufen.«
    »Sie wird nicht antworten.«
    »Ich dachte, sie will deine Partnerin sein?«
    »Ich habe sie geknebelt.«
    »Vielleicht hat sie den Knebel ja irgendwie entfernt. Warum versuchst du es nicht wenigstens? Dieser Wald ist ziemlich groß.
    Kann sein, dass wir ohne ihre Hilfe das Lager niemals finden.«
    Steve blieb stehen und wandte sich zu mir um. »Ruf du sie«, sagte er. »Wenn sie überhaupt antwortet, dann eher dir als mir.«
    »Nach allem, was ich ihr angetan habe?«
    »Das war nicht einmal halb so schlimm wie meine Behandlung.
    Sag ihr, dass du mich umgebracht hast und dass du jetzt zu ihr kommst, um sie zu befreien.«
    »Das glaubt sie mir nie.«
    »Dann sorge dafür, dass sie es glaubt.«
    Ich starrte in die Dunkelheit, aus der Steves Stimme kam.
    Wenn ich mich weigerte, Judy zu rufen, würden wir sie vielleicht tatsächlich nicht finden.

    Das würde ihr möglicherweise das Leben retten. Oder mir das meine.
    »Jetzt ruf sie schon.«
    »Und wenn ich es nicht tue?«, fragte ich.
    Steve trat langsam auf mich zu. »Du solltest genauso scharf darauf sein, sie zu finden, wie ich.«
    »Wieso? Damit ich mit ihr um Leben und Tod kämpfe?«
    »Gegen Sie hast du eine Chance«, sagte er, während er den Säbel hob und seine Spitze in den Spalt zwischen meinen Brüsten zwängte.
    Er drehte die Klinge ein paarmal nach links und rechts, sodass sie meine Brüste zur Seite drückte. Nicht allzu fest. Es tat nicht weh, aber es jagte mir eine verdammte Angst ein.
    Wenn er die Klinge bloß ein kleines Stück weiter dreht, dann …
    »Gegen Judy hast du eine Chance«, wiederholte er. »Gegen mich nicht.«
    »Momentan nicht.«
    Er drehte den Säbel so, dass ich die Klinge seitlich an meiner linken Brust spürte.
    »JUDY!«, rief ich. »ICH BIN’S, ALICE! WO BIST DU?«
    Steve und ich hielten inne und lauschten.
    Nichts.
    »KANNST DU MICH HÖREN? STEVE IST TOT. ICH HABE IHN AUS
    DEM HINTERHALT ERWISCHT UND UMGEBRACHT. ER KANN DIR
    NICHT MEHR WEHTUN! ICH MÖCHTE DICH BEFREIEN. BIST DU
    NOCH IN DEM LAGER? WO IST ES? MACH IRGENDEIN GERÄUSCH, DAMIT ICH DICH FINDEN KANN!«
    Wir hörten nichts.
    Nur den Wind und die Vögel und
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