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Nacht über Eden

Nacht über Eden

Titel: Nacht über Eden
Autoren: V.C. Andrews
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Jillians Tod fortzugehen.
    Nun, meine geliebte Heaven, so schwierig es für Dich sein mag, das zu verstehen, aber ich fühle mich schuldig… Ich muß zugeben, daß es mir gefallen hat, Jillian mit meiner Anwesenheit zu quälen. Wie ich Dir erzählt habe, hat sie mich einige Male gesehen, und ich wußte, daß sie jedesmal zutiefst erschrak. Ich hätte ihr die Wahrheit erzählen können, hätte sie wissen lassen können, daß ich nicht tot bin, aber ich zog es vor, sie in dem Glauben zu lassen, sie sähe einen Geist. Ich wollte sie ein wenig quälen, denn obwohl es nicht ihre Schuld war, daß Du als Tonys Tochter geboren wurdest, konnte ich ihr doch nie verzeihen, daß sie es mir gesagt und damit diese unüberwindliche Wand zwischen Dir und mir errichtet hat. Sie war immer sehr eifersüchtig und ärgerte sich maßlos über die Zuneigung, die Tony für mich empfand. Das war schon so, als ich noch ein kleiner Junge war.
    Jetzt fühle ich eine schreckliche Schuld auf mir lasten. Ich hatte nicht das Recht, sie zu bestrafen. Ich hätte erkennen müssen, daß ich damit nur Tony und auch Dir Schmerz zufüge.
    Anscheinend bringe ich allen Menschen in meiner Umgebung nur Kummer und Unglück. Natürlich denkt Tony nicht so. Er wollte nicht, daß ich weggehe, aber schließlich habe ich ihn überzeugt, daß es so am besten ist.
    Bitte halte zu ihm, wo er so notwendig jemanden braucht, und tröste ihn, so gut Du kannst. Tu es auch in meinem Namen.
    Ich denke, unser beider Blicke werden sich niemals wieder voller Begehren ineinander versenken, und wir werden uns nie mehr so berühren, wie wir es vergangene Nacht getan haben.
    Aber Dein Bild hat sich so tief in mein Herz eingeprägt, daß ich Dich immer bei mir haben werde, ganz egal, wohin ich gehe.
    Dein für immer und ewig Troy.
    Benommen lehnte ich mich zurück.
    »O Mammi, wußtest du, was du mir hinterläßt, als du mir diese Hütte gabst, das Symbol deiner Liebe?« flüsterte ich.
    Die tragische Ungerechtigkeit unseres Schicksals ließ mich erschaudern, als hätte mich ein eiskalter Windstoß ergriffen.
    Auf welch furchtbare Weise hatte sich die Vergangenheit wiederholt! Etwas, das ich in meinem Herzen gefühlt, aber nicht einmal in Gedanken ausgesprochen hatte, war also wahr: Mammi und Troy Tatterton hatten sich geliebt, aber ihre Liebe war verboten gewesen, wie Troy zu Anfang seines Briefes geschrieben hatte; denn er war Tonys Bruder und damit der Onkel meiner Mutter. Die Blutsverwandschaft hatte die Liebe, die sie füreinander empfanden, zu etwas Schmutzigem gemacht, so wie sie meine Liebe zu Luke zu etwas Schmutzigem gemacht hatte…
    Meine Mutter hatte also gewußt, daß Troy noch am Leben war, hatte jedoch niemals mit ihm reden oder ihm schreiben können! Nun verstand ich, warum Troy Tatterton mich so eigenartig angesehen hatte, als er mich das erste Mal erblickt hatte. Sicher waren Erinnerungen in ihm wach geworden, hatte ich mir doch sogar das Haar so färben lassen, wie Mammis Haar damals gewesen war!
    Vieles, was in dem Brief angesprochen wurde, ergab für mich nur deshalb einen Sinn, weil ich in Farthy gewesen war. Ich verstand die Anspielungen auf Jillians Verrücktheit, auf die Geister, die angeblich in dem großen Haus herumwanderten.
    Ich wußte über Tonys Qualen Bescheid und über den Grund, warum Troy sich von der Welt zurückgezogen hatte.
    Wie gut hätte Mammi verstehen können, was nun zwischen Luke und mir geschehen war, dachte ich; und jetzt begriff ich auch, warum sie so bekümmert darüber gewesen war, daß er und ich so viel Zeit miteinander verbrachten. Sie hatte unser Drama vorausgeahnt, da sie es selbst durchlitten hatte!
    »O Mammi«, flüsterte ich, »wenn ich doch wenigstens noch einmal mit dir sprechen könnte. Jetzt bräuchte ich deinen Rat und deine Klugheit so dringend wie noch nie! Denn du weißt, wie ich fühle – du hast es selbst erlebt!«
    Erst als eine Träne auf den Brief fiel, bemerkte ich, daß ich weinte. Vieles, was Troy an Mammi geschrieben hatte, hätte genausogut Luke mir schreiben können. Ja tatsächlich, beim Lesen von Troys Worten hatte ich Lukes Stimme vernommen.
    Ich faltete den Brief zusammen und hob das Dach wieder von der Hütte, um ihn in sein Versteck zurückzulegen, in dem er all die Jahre über verborgen gewesen war. Er gehörte zu der Hütte; er war ein Teil von ihr. Die Musik zerriß mir fast das Herz, und ich dachte, daß es Mammi auch immer so ergangen sein mußte, wenn sie allein dasaß und der Melodie
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