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Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Farris Smith
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im Regen stehen. Er stand da, die Händen in die Hüften gestemmt, und schaute nach rechts und links auf den breiten, schnell fließenden Strom.
    Er drehte sich um, stieg ein und bemerkte, dass Mariposa nach vorn gebeugt dasaß und weinte. Er streckte die Hand aus, aber sie schob sie weg, richtete sich auf und schrie: »Evan! Evan und Brisco. Um Himmels willen, Cohen!«
    Sie hatten beide einen Fehler begangen, da hatte sie recht. Cohen hoffte nur, dass es nicht schon zu spät war, dass sie nicht zu viel Zeit verschwendet hatten und es den Jungs noch gut ging. Hoffentlich hatten der Umweg und die Zeit, die sie dafür gebraucht hatten, kein Unheil bewirkt. Einen Moment lang war er wie einer von denen gewesen, die nur an ihren eigenen Vorteil dachten und nicht an ihre Mitmenschen, es war ein Moment der Schwäche gewesen. Kurz hatte er so gedacht wie all jene, die er immer bekämpft hatte. Wie einer von denen, die er hasste. Er hoffte nur, dass er das nicht bitter bereuen würde.
    Er schaltete den Rückwärtsgang ein, drehte um, legte den Vorwärtsgang ein, und dann fuhren sie so schnell sie konnten durch den nicht enden wollenden Sturm zurück. Mariposa rief weiter Evans Namen, und dass es ihr leidtat. Sagte ihm, dass sie es nicht so gemeint hatten und dass sie nun kamen, um sie zu holen. Bitte, haltet durch.

48
    Die Gewalt des Sturms war auf dem Weg zurück nach Ellisville überall deutlich zu sehen. Frisch entwurzelte Bäume und neu überflutete Straßen zwangen sie immer wieder dazu, Umwege zu fahren und sich in Schlangenlinien fortzubewegen. Mit jedem blockierten Weg und jeder Meile, die sie zusätzlich fahren mussten, wuchs ihre Angst. Auch der Sturm wurde wieder schlimmer. Die kurze Beruhigung war vorbei, und nun kam der zweite Teil mit genau der gleichen zerstörerischen Kraft.
    Sie waren drei Stunden gefahren, als sie endlich den großen Platz in der Mitte des Städtchens erreichten. Der Wahnsinn, der sich hier ausgetobt hatte, war nicht zu übersehen. Hier und da stieg inmitten des Regens und des Winds schwarzer Rauch auf. Straßenschilder, dicke Äste und anderer Unrat lagen auf der von Wasser bedeckten Straße herum. Cohen fuhr den Pick-up hinter das Café. Die Hintertür stand offen, und sie sahen Leute, die sich drinnen um Kisten mit Hamburgerbrötchen und Tüten mit Kartoffelchips stritten und sich gegenseitig mit Kochlöffeln schlugen.
    »O Gott«, sagte Mariposa.
    Cohen hielt nicht an, sondern gab Gas, und der Wagen fuhr spritzend durch die tiefen Pfützen bis zum Ende des Gebäudes und dann auf den großen Platz. Sie sahen die abgerissenen Vordächer, die zerschlagenen Fenster und eingetretenen Türen. Leute rannten herum, ohne Rücksicht auf den kommenden Sturm zu nehmen oder auf die Rauchwolken, die aus dem oberen Stockwerk eines Eckhauses quollen. Cohen lenkte den Wagen zur Vorderseite des Cafés und bremste. Im Lokal saßen jede Menge Plünderer. Auf dem Platz tummelten sich Plünderer. Auf dem Gehsteig lagen hier und da Leichen in Pfützen.
    Cohen wollte die Tür öffnen, aber Mariposa hielt ihn fest und sagte: »Nicht, Cohen.«
    »Verdammt, ich muss doch. Was sollen wir denn sonst tun?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. Sie hatte Angst, er hatte auch Angst, und was noch schlimmer war, er hatte keine Waffe. Kein Gewehr, nicht mal einen Knüppel.
    »Er kann doch nicht da oben sein, oder?«, fragte Cohen. Er schaute sich um. Schlug mit den Fäusten auf das Lenkrad und rief, verdammt, verdammt, verdammt. Der Regen trommelte wie wahnsinnig aufs Dach und verstärkte noch ihre Verzweiflung.
    Gruppen von Männern blieben auf dem Gehsteig stehen, fragten sich, was sie da wohl machten, und glotzten den Pick-up an. Einer von ihnen deutete auf sie.
    »Cohen«, sagte Mariposa, als die Männer auf sie zurannten. Cohen schaltete den Rückwärtsgang ein, gab Gas und prallte gegen den Bordstein auf der anderen Straßenseite, der unter dem Wasser nicht zu sehen war. Der Pick-up schwankte. Cohen und Mariposa wurden hin und her geworfen. Ihr Kopf prallte gegen das Fenster. Cohen versuchte, den Vorwärtsgang einzulegen, aber die Männer kamen näher und umzingelten sie. Sie hatten bemerkt, dass Cohen keine Waffe hatte, sonst hätte er sie längst benutzt. Die Männer mit ihren zerfetzten nassen Kleidern und den zerfurchten Gesichtern breiteten die Arme aus, als wollten sie ein wildgewordenes Tier zuerst beruhigen, bevor sie es einfingen. Cohen beugte sich zur Seite und öffnete das Handschuhfach, obwohl er wusste,
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