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Mutter macht Geschichten

Titel: Mutter macht Geschichten
Autoren: Troy Una
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gesteckt, dann hatte er sie zum Abschied geküßt und gesagt: »Bleib schön brav, Elsie.« Und sie antwortete immer: »Ja, Mr. Brown, mein Schatz.« Sie sagte natürlich nicht Mr. Brown, sondern Edward. Allerdings hatte sie einige Zeit gebraucht, um sich daran zu gewöhnen, ihn Edward zu nennen, und sogar dann hatte sie nie ganz aufgehört, an ihn als an Mr. Brown zu denken. Und das seltsame war, daß sie ihn jetzt in Gedanken wieder nur Mr. Brown nannte.
    Sie zerdrückte noch eine Träne. Ja, er war genau der Typ Mann gewesen, zu dem eine Rose im Knopfloch gut paßte. Mit siebzehn hatte sie sich Hals über Kopf in diesen distinguierten, gepflegten, würdevollen Engländer verliebt, den noch der Duft der großen Londoner Welt umgab. Ihre Großeltern waren damals schon recht alt und gebrechlich, und die Enkelin war ihre einzige Stütze und Freude. Abgesehen von einigen kurzen Ausflügen in die nächste kleine Stadt, hatte sich Elsie nie von ihnen getrennt, und bevor Mr. Brown ›O'Learys Familien-Hotel‹ betrat, hatte sie nicht gewußt, wie ein Engländer überhaupt aussieht. Das erste, was ihr an ihm auffiel, war seine vornehme Aussprache, die sie bislang nur vom Radio oder Kino her kannte.
    »Haben Sie bitte ein Zimmer für mich?« hatte er sie in diesem Schönen Tonfall gefragt. »Wenn möglich mit Blick aufs Meer.«
    Er hätte gleich fünf Zimmer mit Meeresblick haben können. Dooneen hatte wenig zu bieten, was einen Fremden hätte anziehen können. Und O'Learys Hotel konnte seine kärgliche Existenz nur fristen, weil die Einheimischen dort an der Bar tranken.
    »Ja, natürlich, Sir«, hatte sie geantwortet, »es ist sehr ruhig hier bei uns in Dooneen.«
    »Gerade deshalb bin ich hergekommen.« Er blickte sie aufmerksam an.
    »Der Arzt hat mir Ruhe und Erholung verordnet, und auf dem Fährschiff habe ich dann zufällig erfahren, daß es hier Forellen gibt.«
    Davon gab es wirklich genug in dem Flüßchen, das in den Hafen von Dooneen mündete – braune, fadschmeckende Forellen, die vielleicht gerade gut genug zum Fangen waren, aber schon schlechter zum Essen. Sogar einige Fischerboote existierten, die zu dieser Zeit auf Makrelenfang fuhren, aber man sah es Mr. Brown schon auf den ersten Blick an, daß er sich mehr für ein Flußufer eignete als für die hohe See. Die funkelnagelneue Angelausrüstung in dem grünen Leinwandbehälter sah genauso sauber und adrett aus wie ihr Besitzer. Später stellte sich heraus, daß ihre Anschaffung eine reine Geldverschwendung gewesen war, denn das einzige, was Mr. Brown sich vom ersten Tag an zu angeln versuchte, war Elsie O'Leary.
    »Laß dir nicht den Kopf verdrehen, Mädchen«, warnte ihr Großvater. »Vergiß nicht, daß Mr. Brown von heute auf morgen wieder von der Bildfläche verschwinden kann.«
    »Der nicht!« sagte die Großmutter. »Der ist ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle.«
    Das hatte Elsie auch schon gemerkt.
    Es gab immerhin einige junge Männer in Dooneen, die sich um sie bemühten, aber sie hielten dem Vergleich mit Mr. Brown nicht stand. Nie zuvor hatte jemand eine Tür für sie geöffnet oder war aufgestanden, wenn sie das Zimmer betrat, oder hatte sie mit der Hand unter dem Ellbogen gestützt, wenn der Weg uneben wurde; niemand hatte ihr je große Pralinenschachteln verehrt, sie umsorgt oder ihr das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein (natürlich völlig überflüssige Dinge, aber eben doch sehr nett). Und abgesehen von all dem war Mr. Brown ein so guter, hilfsbereiter, offener Mensch, daß jeder ihn auch um seiner selbst willen lieben mußte. Elsie wurde bei dem Gedanken, ihn für immer aus den Augen zu verlieren, ganz traurig, aber zu den Großeltern sagte sie: »Was auch immer kommt, ich kann euch doch nicht alleine lassen.«
    »Uns würde ein Stein vom Herzen fallen, wenn wir sähen, daß du einen guten Mann heiratest«, versicherte Großmutter, und Großvater stimmte ihr ausnahmsweise zu. Mr. Brown hatte nicht nur ganz offen über sein augenblickliches Gehalt, seine Pension und seine Aussichten als Beamter des Londoner Bezirksamts gesprochen, sondern sie auch über fast jede Kleinigkeit seines – wie jeder leicht erraten konnte – untadeligen Lebenswandels informiert. »Wir leben schließlich nicht ewig, und das Hotel rentiert sich schon seit einiger Zeit nicht mehr. Wenn du ihn lieb genug hast, dann nimm ihn.«
    »Ich hab ihn sehr lieb«, bestätigte Elsie mit Nachdruck.
    Sie hatte seinen Heiratsantrag begeistert und ohne die
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