Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Titel: Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
Autoren: Christoph Dörr
Vom Netzwerk:
heraus.
    » In fünf Milliarden Jahren ist die Erde Teil der Sonne«, sage ich.
    » So alt will ich gar nicht werden.« Teilnahmslos schiebt der Mann sein Rad weiter.
    Und schon ist dieser Bruchteil des Universums vorbeigezogen. Zurück bleibt Sternenstaub, sonst nichts. Wie von meiner Beziehung. Die ist auch nur noch Planetenpuder, Asteroidenasche. Staub zu Staub, Andi zu Asche. Ich bin echt nur ein kosmischer Krümel!
    Mann im Mond, Herr im Himmel, wer auch immer zuständig ist, gebt mir meine Kim wieder! Bitte! Ich sage das nicht laut, dennoch ist mir zum Schreien zumute. Meine Gedanken kreisen nur um sie, ihre Schwerkraft wirkt ungebrochen auf mich. Minutenlang dümple ich unentschlossen meine Straße lang. Über den nächtlichen Asphalt fällt warmes Licht, und gemütliche Lautstärke dringt aus der Kölschkneipe »Zum Geißbock«, dessen großes Frontfenster von innen rot-weiß verhangen ist. ›Raucherclub‹ bestimmt der Aufkleber an der Eingangstür, daneben hängt ein ausgebleichtes Poster mit dem fröhlichen Grinsegesicht von Lukas Podolski. Darauf sieht er so aus, als hätte er noch Milchzähne.
    Obwohl ich um die Ecke wohne, war ich noch nie hier. Mir ist die rheinische Geselligkeit unheimlich, weil oft zu hartnäckig herzlich. Einmal bin ich aus einem Gespräch von der Theke auf die Toilette geflüchtet, und dort hat mich noch mit offener Hose direkt der Nächste angequatscht.
    Jetzt habe ich nicht nur Durst, sondern auch einen guten Grund zu trinken, und wo mein Fußballclub ist, da muss die Welt doch in Ordnung sein. Als Fan des 1. FC Köln kannst du nur unerschütterlich denken, das ist völlig klar. Denn wo gibt’s das sonst: keinen Erfolg und Spaß dabei.
    » Kumm eren, Jung, ich hann kahl Fööß.« Der hagere ältere Mann hängt gebeugt auf seinem Hocker am Tresen. Er fällt jedoch nicht vornüber, sein Hintern scheint mit dem Holz fest verwachsen. »Stammgast«, genau, so lässt sich diese Symbiose treffend bezeichnen.
    » Driss Rään«, nörgelt er und bläst trübe Zigarettenrauch vor sich hin. Das Grau der Haare scheint auf sein Gesicht abgefärbt zu haben.
    » Tach, bin der Antonio«, grüßt mich der Wirt. » Aber alle nennen mich Poldi.« Ich nicke.
    » Kölsch?« Ich nicke nochmals.
    » Wie isset?« Antonio alias Poldi gibt sich alle Mühe, seinen italienischen Akzent mit kölschem Dialekt zu durchdringen.
    » Meine Freundin hat mich verlassen«, sage ich. Natürlich geht das die Insassen dieser Kneipe einen feuchten Sonstwas an. Aber es ist nun mal alles, was ich gerade im Kopf habe.
    » Abpfiff. Passiert.« Der Typ, der die ganze Zeit die Dartscheibe traktiert, meint das nicht gerade mitfühlend, aber irgendwie jovial klingt es schon.
    » Dann bist du also wieder auf dem Transfermarkt.« Ein Mann im Rollstuhl steht … also sitzt … vor der Theke und dreht sich zu mir um. Sein Hemd ist sauber, die Jeans ausgewaschen.
    » Seit 30 verdammten Minuten«, schnaufe ich und halte Antonio mein ratzfatz geleertes Glas auffordernd hin.
    » Neues Spiel, neues Glück«, erklärt der Rollstuhlfahrer.
    » Ming Levve lang ben ich beim selben Verein«, grummelt der Grauhaarige vor sich hin. Klar, dass er nicht den FC meint. Er blickt traurig drein wie ein ausgesetztes Haustier. » Drei Krütze, wenn die Ahl fott es.« Er zerdrückt seinen Zigarettenstummel im Aschenbecher, der Qualm verzieht sich. » Poldi, maach mer noch ’n Kölsch.«
    » Jo jo dat.« Der Wirt nimmt ein frisches Glas vom Spülbecken und zieht den Zapfhahn nach hinten. Vergilbte CD -Hüllen liegen wie vergessen im Holzregal hinter ihm, darunter sechs Flaschen Korn, sauber aufgereiht. Rechts daneben sind Nüsschen, in Folie eingeschweißt. Auf einmal habe ich das Gefühl, dass mir die aufgezwungene Gemeinschaft und das Kölsch guttun werden. Wenn ich nur wüsste, warum sie mich so plötzlich abserviert hat! Die Frau hat das Spiel abgepfiffen, ohne mir zu erklären, warum das so ist. Wie bei der Abseitsregel, die hat Kim auch nie kapiert.
    » Im Stadion steh ich mit meinem Rolli ja direkt am Spielfeld.« Der Mann reibt sich die Hände im Schoß. » Da bin ich immer geil nah dran an den Cheerleadern.«
    » Würde gern mal mit dir tauschen«, stimme ich wenig interessiert zu.
    » Du, kein Thema, musst nur dran denken, beim Torjubel nicht aufzuspringen …«
    Ein schepperndes »Dingdingding« lärmt durch den Raum.
    » Bulls Eye!« Der Typ mit den Pfeilen ballt seine rechte Faust. Zufrieden setzt er sich nun an einen Tisch in der Ecke,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher