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Morgen letzter Tag!

Morgen letzter Tag!

Titel: Morgen letzter Tag!
Autoren: C Süß
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Drücker sind, dann müssten wir auch wissen, wo drücken. In welche Richtung? Was ist der Plan? Aber auch wir haben keinen. Und– noch schlimmer: Wir wollen auch keinen. Denn wenn man sich im eigenen Leben umsieht, dann will man meist eigentlich überhaupt keine Veränderung! Es eint ja den Bürger und den Politiker der Imperativ, es solle alles so bleiben, wie es ist! Es solle nur nicht schlechter werden! Und wenn es schon schlechter werden muss, dann bitte nicht in unserer Lebenszeit.
    Denn es geht uns ja gut! Sehr gut sogar.
    Ja. Wer gegen den Kapitalismus wettert, begibt sich heute in eine seltsame Position. Immerhin befinden wir uns in einer Welt, die scheinbar die » beste aller möglichen Welten« darstellt. Bei allem, was da zu bekritteln ist: Historisch gesehen ging es keiner Generation vor uns auch nur annähernd so gut. Noch nie war das Leben so luxuriös, derart offen, voller Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung. Und könnte man in die Vergangenheit reisen, um den eigenen Vorfahren von unserem Leben hier zu berichten, sie würden die Gegenwart wohl für die Erfüllung all ihrer Träume halten und darüber hinaus. Also erscheint die Idee, das zu kritisieren, was diese Errungenschaften überhaupt erst möglich gemacht hat, auch noch vom Geist der Undankbarkeit geprägt. Es ist die luxuriöse Haltung derjenigen, die Nutznießer waren und sind und die jetzt die paranoide Angst haben, ihre Pfründe könnten in naher Zukunft versiegen, obwohl doch offensichtlich alles um sie herum bestens funktioniert.
    Und dennoch, mir scheint dieses Glück nicht von Dauer. Seine Fundamente wirken auf Sand gebaut. Warum?
    Ein ganz einfaches Beispiel: Für einen roten Thunfisch sollen kürzlich 200 000 Dollar bezahlt worden sein. Weil roter Thunfisch so selten geworden ist. Aber alle Sushi-Freunde auf dem Planeten wollen ihn so gern essen und sind bereit, hohe Preise für dieses Vergnügen zu bezahlen. Nur, was bedeutet es, wenn man für einen roten Thunfisch 200 000 Dollar bezahlt? Dass der nächste, den man aus dem Wasser zieht, wohl noch mehr bringen wird. Sicher, der Fisch ist vom Aussterben bedroht, vielleicht wird er demnächst sogar unter Artenschutz gestellt. Aber dann wird er nur noch teurer, und der Anreiz, ihn noch gnadenloser zu bejagen, steigt weiter. Bis er weg ist.
    Tja, wenn Sie kein Sushi mögen, was kümmert es Sie?
    Es geht hier um das destruktive Element, das dem System, das unser Zusammenleben organisiert, innewohnt. Der Kapitalismus begegnet uns immer öfter im Gewand des Gottes Shiva, der sowohl für Zerstörung als auch für Wiedergeburt zuständig ist. Das Problem dabei: Der kapitalistische Shiva kann den roten Thunfisch nicht wiederauferstehen lassen, nur das Bedürfnis nach ihm substituieren. Dann kommt halt was anderes in das Reisröllchen. Aber der Thunfisch ist weg. Bleibt weg. Und das passiert mit immer mehr Arten, Dingen, Werten. Sie sind weg und bleiben es auch. Und man wird gar nicht gefragt, ob man wenigstens hätte Abschied nehmen wollen.
    An diesem Punkt muss allerdings angemerkt werden, dass man sich um die Welt an sich keine Sorgen zu machen braucht. Zumindest dann nicht, wenn man mit » Welt« unseren Lieblingsplaneten Erde meint. Die Kugel gilt als recht robust und hat deutlich Schlimmeres erlebt als den derzeitigen Menschenbefall. Gerettet werden muss dagegen die Menschheit. Und vermutlich steht nicht mal deren Überleben insgesamt auf dem Spiel. Allerdings das Überleben von sehr vielen. Und auch vielleicht von all dem, was wir so an sich gut und richtig finden. (Oder sollte ich besser sagen, was ich richtig finde?)
    Nun, was genau bedroht ist und warum und ob, und was man vielleicht oder vielleicht auch nicht dagegen tun könnte, ist das Thema dieses Buches. Und ein wichtiger Punkt innerhalb dieser Gemengelage ist eben ein kritischer Blick auf Wachstum, Konsum und Kapitalismus. Um den aber an Sie (also an den Mann oder die Frau) zu bringen, muss ich die Verbreitungsmöglichkeiten des Kapitalismus nutzen. Dumme Sache.
    Zunächst scheint mir also nichts anderes übrig zu bleiben, als auf der einen Seite zwar den Satz von Theodor W. Adorno, es gebe kein richtiges Leben im falschen, zu akzeptieren, auf der anderen Seite aber zu konstatieren, dass es im Moment für jemanden wie mich, der das Bedürfnis hat, sein Denken mit anderen zu teilen, gar keine andere Möglichkeit gibt. Will sagen: Machen wir das Beste aus unserem merkwürdigen virtuellen Treffen, auch wenn es zunächst nur
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