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Mordkommission

Titel: Mordkommission
Autoren: dtv
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zu dem Schluss, dass die Tat wegen eines sogenannten freiwilligen Rücktritts des Täters vom Tötungsvorsatz
     als gefährliche Körperverletzung, nicht jedoch als versuchtes Tötungsdelikt zu bewerten sei. Diese vom Gesetzgeber vorgegebene
     Rechtskonstruktion erscheint nicht immer einleuchtend, ist aber geltendes Recht. Dementsprechend gab ich auch diesen Vorgang
     am nächsten Morgen ab, diesmal an das Fachkommissariat für gefährliche Körperverletzungen.

|38| Ein fast perfektes Alibi
    In den vorausgegangenen Monaten hatte ich bei sechs Bereitschaften mehrfach Gelegenheit gehabt, bei – kriminalistisch gesehen
     – meist relativ einfach gelagerten versuchten Tötungsdelikten Erfahrungen auf diesem für mich doch relativ ungewohnten Gebiet
     zu sammeln. An diesem Freitag im März stimmte eigentlich alles. Das Wochenende stand bevor, die Wettervorhersage versprach
     bestes Frühlingswetter und wir waren in unserer Bereitschaft bisher von allem Bösen verschont geblieben. Zumindest bis um
     10.20   Uhr. Da meldete sich der Außendienstleiter, kurz ADL, einer der regionalen Polizeidirektionen und teilte mit, dass in einer
     Einzimmerwohnung in der Innenstadt die Leiche einer Frau gefunden worden war. Der Bewohner des Appartements war sturzbetrunken
     in einem Zeitungsladen in der Nähe erschienen und hatte der Verkäuferin lallend erzählt, dass seine Freundin tot in seiner
     Wohnung liege. Sie habe am Abend davor noch seine Wohnung aufgeräumt, und nun sei sie tot. Er könne sich das nicht erklären!
     Die vom Geschäftsinhaber verständigten Polizeibeamten hatten tatsächlich kurz darauf in der Wohnung die Leiche einer Frau
     gefunden, die dem ersten Eindruck nach mit brutaler Gewalt erschlagen worden war. Ich rief meine Kollegen zusammen, informierte
     den Erkennungsdienst und die Staatsanwaltschaft. Dann fuhr ich mit gemischten Gefühlen zum Tatort. Zum ersten Mal musste ich
     zu einem vollendeten Tötungsdelikt ausrücken.
    Der Anblick, der sich uns knapp zwanzig Minuten später bot, war nichts für zartbesaitete Naturen: In einem kleinen Appartement
     im vierten Stock eines Wohnhauses lag die Leiche einer kleinen, hageren Frau verkrümmt in einer großen Blutlache. Ihr Kopf
     war durch wuchtige Schläge so deformiert, dass man ihr Alter nicht abschätzen konnte. Der Raum bot einen unbeschreiblich verwahrlosten
     Anblick: Mehr als einhundertfünfzig leere Branntweinflaschen |39| lagen und standen auf dem Fußboden, der vor klebrigem Schmutz starrte; die Kochnische war überfüllt mit schmutzigem Geschirr,
     verdreckten Wäschestücken und zum Teil bereits verwesten Essensresten. Die Wände und die Zimmerdecke waren übersät von Blutspritzern.
     Strom und Wasser – so erfuhren wir – waren seit Langem abgestellt worden, da der Mieter seine Rechnungen nicht mehr bezahlt
     hatte. Der seiner Wohnung angepasst verwahrloste Mieter, der bei unserer Ankunft unter der Aufsicht von zwei uniformierten
     Polizisten im Treppenhaus kauerte, war so betrunken, dass er schließlich von den Beamten nach unten getragen werden musste.
     Wie sich herausstellte, hatte er mehr als vier Promille Alkohol im Blut! Wir ließen ihn unter Bewachung durch eine Streife
     in eine Klinik einliefern, wo er wegen des Verdachts auf Alkoholvergiftung behandelt wurde.
    Ich beneidete die Beamten des Erkennungsdienstes nicht, die sich unterdessen daranmachten, jeden Quadratzentimeter der Wohnung
     unter die Lupe zu nehmen. Ein Sachverständiger des Institutes für Rechtsmedizin, den ich angefordert hatte, traf ebenfalls
     am Tatort ein. Er begann mit der Untersuchung der Leiche, erst als er fertig war, durften die Erkennungsdienstbeamten die
     Position des Opfers verändern. Der erste Eindruck verfestigte sich, demzufolge die Frau erschlagen worden war. Rasch drängte
     sich der Verdacht auf, dass es zwischen dem Mieter, Siegfried M., und der Frau zu einem tödlichen Streit gekommen sein könnte.
     Allerdings war Siegfried M. aufgrund seines alkoholisierten Zustandes derzeit nicht fähig, auf Fragen zu antworten.
     
    Wir standen im engen Flur vor der Wohnung, während wir leise unser weiteres Vorgehen besprachen. Der Gang war verstellt mit
     Metallkoffern und Taschen des Erkennungsdienstes und unseren eigenen Bereitschaftstaschen. Längst hatte sich die Nachricht
     von der Tat im Haus verbreitet. Immer wieder drückten sich Mitbewohner an uns vorbei und versuchten, einen schnellen Blick
     in die Wohnung zu erhaschen. Wie ich das von anderen
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