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Mord und Mandelbaiser

Mord und Mandelbaiser

Titel: Mord und Mandelbaiser
Autoren: Jutta Mehler
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Tante war mit ihrem Rollstuhl an den Esstisch gerückt worden und schaufelte sich gerade einen großen Brocken, von dem weiße Soße troff, in den Mund.
    »Milchrahmstrudel«, sagte sie mit vollen Backen.
    Liegt, wie es scheint, in der Familie, diese Unart, dachte Fanni. Hans Rot schluckt auch nie, bevor er spricht.
    Ihr Blick wanderte von den kauenden Kiefern abwärts, und wie immer, wenn sie Luises Aufmachung sah, musste sie sich das Lachen verbeißen.
    Luise trug einen rosafarbenen Pulli mit Applikationen aus Silberpailletten. Über ihren Knien lag eine rosa Häkeldecke; die Füße, die darunter hervorlugten, steckten in rosa Pantöffelchen, deren oberer Rand mit rosa Federn verbrämt war.
    Fanni hatte sich schon ein paarmal gefragt, ob Luise dieses Faible für Rosa schon vor ihrem Unfall gehabt hatte. Hatte sie in rosa Blüschen und rosa Schühchen ihre Gemüsebeete umgegraben?
    Rosa Schürze und rosa Gummistiefel!
    Ja, dachte Fanni, so könnte man sich Luise bei der Arbeit vorstellen.

    Hans Rots Tante hatte die letzten zwanzig Jahre ein Häuschen im Schwarzwald ganz allein bewohnt und so gut wie keinen Kontakt mit der Verwandtschaft gepflegt. Aus den dürftigen Erzählungen ihres Mannes hatte Fanni gefolgert, dass Luise ihr Haus und ihren Garten stets eigenhändig in Schuss gehalten hatte. Laut Hans hatte sie persönlich die Hecke geschnitten, die ihr Grundstück einfasste, die Beete umgegraben und sogar Malerarbeiten und alle möglichen Reparaturen ausgeführt.
    Doch genau das war ihr letztendlich zum Verhängnis geworden. Beim Reinigen der Dachrinne war sie vergangenes Frühjahr von der Leiter gestürzt und hatte sich schwer verletzt. Die Blessuren im Gesicht und die Prellungen der Rippen heilten zwar bald wieder, aber Luises Beine waren gelähmt.
    Und das würde auch so bleiben, meinten die Ärzte im Krankenhaus trocken.
    Als nächster Verwandter Luises war Hans Rot von dem Unfall verständigt worden und umgehend nach Freiburg gereist. Mangels besserer Alternativen hatte Luise inzwischen den pragmatischen Entschluss gefasst, ihr Häuschen zu verkaufen, um von dem Erlös die Kosten für ein gepflegtes Seniorenheim aufbringen zu können.
    Offenbar hatte sie Vertrauen zu Hans Rot gefasst, denn sie hatte ihn mit der Abwicklung des Verkaufs beauftragt und kurz darauf erklärt, ein Seniorenheim in der Nähe von Erlenweiler wählen zu wollen, damit er – so weit erforderlich – ihre Betreuung übernehmen konnte.
    Fanni musste zugeben, dass es ihrem Mann gelungen war, die Tante komfortabel unterzubringen. Luise bewohnte in der Katherinenresidenz ein kleines Apartment, das aus einem Wohnzimmer mit Schlafnische, einem Badezimmer, einer winzigen Küche und einem noch winzigeren Balkon bestand. Die meisten der antiken Möbel, die Luise zuvor besessen hatte, waren zwar verkauft worden, doch der glänzende Mahagonitisch, die Biedermeierkommode und noch ein paar seltene Stücke hatten in der Wohnung Platz gefunden.

    »Ausgezeichnet, vorzüglich«, sagte Tante Luise mampfend. »Solltest du dem Hans mal vorsetzen, würde ihm schmecken.«
    »Hans mag keine Mehlspeisen«, entgegnete Fanni.
    Tante Luise winkte ab. »Ich wette, Milchrahmstrudel würde er lieben. Du rollst eine leckere Füllung in Strudelteig – Äpfel, Rosinen, gemahlene Nüsse oder vielleicht Kirschen, Honig, gemahlene Mandeln –, praktizierst den Strudel in einen tiefen Schmortopf und übergießt ihn großzügig mit Milch und Sahne. Vierzig Minuten in die Backröhre, und fertig ist das Leibgericht.«
    Sie kratzte den Teller leer. »Ich hätte dich ja kosten lassen, aber meine Portion war wieder besonders klein heute. Schwester Monika, die blöde Ziege, achtet kein bisschen auf die Vorlieben ihrer Schäfchen. Roland ist da viel mehr auf Draht. Er bringt mir immer die größte Portion vom Milchrahmstrudel – er sagt ja Milirahmstrudel dazu – und die kleinste von den Kohlrouladen.«
    Luise schüttelte sich, als wolle sie den Gedanken an Kohlrouladen weit wegschleudern. »Roland ist auch ein Schleckermaul, hat er mir neulich gestanden. Aber er selbst, sagt er, kann überhaupt nicht kochen, nicht mal Rührei. Er holt sich seine Mahlzeiten bei McDonald’s oder beim Türken.« Sie schnitt eine Grimasse. »Fast Food.«
    »Hat Roland Becker heute etwa dienstfrei?«, fragte Fanni aufgeschreckt.
    Tante Luise sah sie vorwurfsvoll an. »Der Junge ist schon eine ganze Weile nicht mehr bei mir aufgetaucht.« Sie zog die Stirn in Falten. »Dreimal Milchrahmstrudel
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