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Mord in Oxford

Mord in Oxford

Titel: Mord in Oxford
Autoren: Veronica Stallwood
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zwinkerte dem frechen Gesicht zu. Sie passierten einen zweiten, etwas kleineren Torbogen, erreichten die Blutbuche, unter der sie und Liam sich das erste Mal getroffen hatten, bogen nochmals um eine Ecke und standen vor einer gedrungenen Tür, die von kahlen Baumstämmen umrankt und umwunden war. In ein paar Wochen, wenn Blätter und Blüten hervorkamen, würde das vermutlich wunderhübsch aussehen. Aber im Augenblick weigerte sich Kate standhaft, sich bezaubern zu lassen.
    Liam hatte einen Schlüssel. Sie betraten eine kleine Eingangshalle aus dem 18. Jahrhundert. Auf dem glänzend gebohnerten Boden lag ein teuer aussehender Orientteppich. Eine Tür zu ihrer Rechten wurde geöffnet, und sie gingen in einen angenehm proportionierten Raum, dessen Boden und Wände in jenen Blau- und Grüntönen gehalten waren, von denen Psychologen behaupteten, dass sie eine beruhigende Wirkung ausübten. Durch das Fenster erblickte Kate den Garten, durch den sie soeben gekommen waren.
    »Sehr geehrter Herr Rektor, darf ich Ihnen Kate Ivory vorstellen?«, sagte Liam gerade.
    Kate tauschte einen Händedruck mit einem weißhaarigen Mann, der so sehr allen Erwartungen entsprach, die sie an die Colleges von Oxford und ihre Professoren stellte, dass sie insgeheim den Verdacht nicht loswurde, er müsse eigens für diesen Tag von einer Schauspielagentur engagiert worden sein.
    »Sie schreiben diese amüsanten Bücher, nicht wahr, Miss Ivory?«
    »Historische Kriminalromane«, stellte Kate richtig und hoffte inständig, dass sie nicht errötete.
    »Dieser Herr«, stellte der Rektor einen anderen Mann vor, »ist Hallam Russell vom Ministerium.«
    Noch ein einflussreicher Mann, dachte Kate und musterte den teuren dunklen Anzug, den Stiernacken und die Tränensäcke unter den berechnenden Augen. »Leicester, 1955«, fügte der Rektor hinzu. »Tee, Miss Ivory?«
    Jetzt zieht er gleich das Glöckchen und bestellt, dachte Kate. Der Rektor klingelte, sah Kate dabei an und lächelte flüchtig. Wahrscheinlich bin ich ebenso vorhersehbar wie er, dachte Kate.
    Eine junge Frau in einem weißen Overall brachte den Tee. Der Rektor wartete, bis sie wieder draußen war, ehe er fortfuhr. Zu Kates Erleichterung schenkte er den Tee selbst ein. Einen Augenblick lang hatte sie befürchtet, er erwarte von ihr mütterliche Qualitäten. Er reichte ihr eine völlig normale Tasse mit undefinierbarem Tee.
    »Ich habe erfahren, dass Sie sich um das Schicksal der Fridesley Fields große Sorgen machen, Miss Ivory«, sagte Hallam Russell.
    Kate nahm einen Schluck heißen Tee, nickte und antwortete: »Vor allem, weil reiche und mächtige Leute anscheinend immer ihren Willen durchsetzen können, obwohl er den Wünschen vieler anderer Leute diametral entgegensteht.«
    »Ich verstehe. Natürlich teilen wir im Ministerium Ihre Besorgnis«, salbaderte er. »Ich kann Ihnen versichern, die Angelegenheit wurde sogar im Kabinett zur Sprache gebracht.«
    »Ja, sicher. Und derweil lehnten sich die Leute aus Cambridge gemütlich zurück und amüsierten sich königlich, nicht wahr?«
    »Das Wichtigste ist immerhin, dass sowohl der Bebauungsplan als auch die damit verbundene Trassenführung für eine neue Straße endgültig vom Tisch sind. Wir teilen nämlich tatsächlich Ihr Interesse am einzigartigen Charakter unserer schönen Stadt.«
    Liam neben ihr sah verlegen zu Boden. Hier hatte er Heimrecht; sie sollte sich eigentlich nicht so weit aus dem Fenster lehnen. »Danke sehr«, sagte sie und versuchte sich an einem Lächeln. »Sie haben Recht: Am Ende zählt nur das Resultat. Schön, dass die Fields und der Postle erhalten bleiben.«
    »Was den Postle angeht, sind wir nicht so ganz sicher«, meldete sich der Rektor zu Wort. »Sprachen Sie nicht davon, Hallam, dass die Häuser dort abgerissen werden müssten? Aber zu Ihrer Beruhigung, Miss Ivory: Sie werden durch eine umweltverträgliche Bebauung ersetzt.«
    »Ich glaube, in dieser Sache ist noch keine endgültige Entscheidung gefallen«, meinte Hallam Russell geschmeidig.
    Gerade wollte Kate widersprechen, da entdeckte sie etwas auf dem Kaminsims. Etwas Kleines, Dunkelblaues, Wohlbekanntes.
    »Oh, Sie bewundern meine Oxford-Dose«, sagte der Rektor, nachdem Kate die Dose erheblich länger angestarrt hatte, als die gängigen Höflichkeitsregeln erlaubten. Er nahm das Sammlerstück vom Sims, damit Kate es näher in Augenschein nehmen konnte. Sie hoffte nur, er würde es nicht öffnen, denn den Totenschädel wollte sie auf gar keinen Fall
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