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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)
Autoren: Anne Perry
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einem changierenden blassen Blaugrün trug. Sie hatte in erster Ehe einen Mann geheiratet, auf den jede Schwiegermutter stolz gewesen wäre. Lord George Ashworth war in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von Pitt gewesen: Er entstammte einer erstklassigen Familie, hatte gut ausgesehen und über ein beträchtliches Vermögen verfügt, das mit seinem Tod für seinen und Emilys Sohn in treuhänderische Verwaltung übergegangen war. Nach angemessener Zeit hatte Emily Jack Radley geheiratet. Auch er sah gut aus, war sogar noch charmanter als sein Vorgänger, aber mittellos, da sein Vater, ein nachgeborener Sohn, eine Art Abenteurerleben geführt und mithin über keinerlei Vermögen verfügt hatte.
    Emily hatte ihn dazu gebracht, in die Politik zu gehen und etwas aus sich zu machen. Möglicherweise hatte ihr Hang, auf andere Menschen einzuwirken, etwas damit zu tun, dass sie gesehen hatte, wie sich Charlotte an den Ermittlungen in einigen von Pitts frühen Kriminalfällen beteiligt hatte. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, hatte auch Emily das eine oder andere Mal mutig und alles andere als unbegabt daran mitgewirkt. Dabei hatten ihn die beiden Frauen zur Verzweiflung und in Verlegenheit gebracht. Er hatte sogar mehrfach um ihre Sicherheit gebangt, doch hatten sie sich letztlich seinen Dank und seine Achtung erworben.
    Während er jetzt zu Emily hinsah, deren Haar ebenso im Licht des Kronleuchters glänzte wie die Diamanten an ihrem Hals, dachte er mit einer gewissen Wehmut an die Abenteuer und die Gefühle jener Zeit. Jetzt konnte er nicht einmal mehr mit Charlotte über seine Fälle sprechen, denn vieles im Zusammenhang damit war nicht nur vertraulich, sondern streng geheim. Er empfand das mit überraschender Trauer als einen Verlust, während er an die Vergangenheit dachte.
    Emily sah ihn und lächelte ihm strahlend zu. Er entschuldigte sich bei seinen Gesprächspartnern und ging zu ihr und Jack hinüber.
    »Guten Abend, Thomas. Wie geht es dir?«, begrüßte sie ihn munter.
    »Gut, vielen Dank. Und dir ganz offensichtlich ebenfalls«, fügte er hinzu.
    Mit ihrem blonden Haar und den großen tiefblauen Augen war sie von einer natürlichen Schönheit. Wichtiger noch aber war, dass sie es verstand, sich zu jeder Gelegenheit genau passend zu kleiden. Da es seine Aufgabe war, Menschen aufmerksam zu beobachten, zu spüren, welche Empfindungen hinter den Worten lagen und hinter die Fassade zu blicken, bemerkte er an ihr eine für sie untypische Angespanntheit. Trat auch sie ihm jetzt etwa voll Argwohn gegenüber? Dieser Gedanke durchfuhr ihn mit solcher Schärfe, dass er Jack Radley nur mit einem knappen Nicken begrüßte, bevor er sich dem Herrn zuwandte, mit dem dieser gerade sprach.
    »Eure Lordschaft, darf ich Ihnen meinen Schwager Thomas Pitt vorstellen?«, sagte Jack förmlich. »Lord Tregarron.« Er unterließ es, dessen Position zu nennen, vermutlich weil er annahm, dass sie Pitt bekannt war. In diesem Augenblick fiel Pitt ein, dass er von Charlotte gehört hatte, Jack bekleide seit Neuestem ein Amt mit einem beträchtlichen Maß an Verantwortung und einer gewissen Machtfülle. Tregarron war Staatssekretär im Außenministerium und Jack sein persönlicher Assistent.
    Emilys rascher Blick und ihre steif zurückgenommenen Schultern sprachen von einem gewissen Trotz. Vermutlich fürchtete sie, Pitt könne Jacks Aufstieg, auf den sie ausgesprochen stolz war, durch seine neue Position in den Schatten stellen.
    »Guten Abend, Eure Lordschaft«, sagte Pitt mit einem Lächeln. Ein rascher Blick zu Charlotte hinüber zeigte ihm, dass sie jede der in den Worten und Bewegungen enthaltenen Nuancen genau verstanden hatte.
    »Lord Tregarron hat uns gerade von einigen der wunderbaren Orte berichtet, die er besucht hat«, erläuterte Emily in munterem Ton. »Vor allem auf dem Balkan. Seiner Beschreibung nach muss die Küste des Adriatischen Meeres von geradezu märchenhafter Schönheit sein.«
    Tregarron tat die Lobeshymne mit einem Achselzucken ab. Er war stämmig, hatte dunkles, gelocktes Haar und einen Charakterkopf. Niemand hätte ihn als attraktiv bezeichnet, doch ließen seine Dynamik und eine unübersehbare geballte innere Kraft andere Menschen aufmerken. Es fiel Pitt auf, dass Damen in verschiedenen Gruppen zu Tregarron hinübersahen und dann rasch den Blick abwandten, als sei ihre Aufmerksamkeit ungehörig.
    »Es hat Mrs. Radley offenbar tief beeindruckt, dass ein Mann aus Cornwall eine andere Küste als die seiner Heimat
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