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Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris
Autoren: Petra Kirsch
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findet er schon den richtigen Gutachter: Kriegt lebenslänglich und ist
nach zwölf Jahren wieder draußen; hört mir doch auf!«
    Ärgerlich winkte er ab und
walzte wieder hinter seine Kasse.
    »Also bitte, Chef!« Der
Playboy-Leser, der offenbar einen sehr kleinen Gegenstand in seiner Hosentasche
suchte, schien brennend interessiert. »Das kann sich doch heutzutage kein
Gutachter mehr leisten! Der Typ hat die Bedienung bei der Berch-Kerwa richtig
abgeschlachtet! Die BILD -Zeitung
sagt, er hat ihr sogar noch einen Ohrring herausgeschlitzt und mitgenommen. So
einer ist brutal, eiskalt, hochintelligent – so einen darfst du doch nie wieder
rauslassen!«
    »Freilich, Meister! Genauso
isses! Du warst an der Fünf? Vierundsiebzig einunddreißig … Geheimzahl und
bestätigen … Den darfst du freilich nimmer rauslassen, der ist eine Gefahr für
die Menschheit …«
    »Die Drecksau gehört gleich
einen Kopf kürzer gemacht!« Beck’s – impulsiv, prägnant und schlicht.
    Der Playboy-Leser verstaute langsam und sorgfältig seine EC -Karte wieder. »Aber anscheinend ist er ja viel zu clever für unsere Polizei,
oder? Na ja, vielleicht läuft er dafür mal einem von uns vor die Motorhaube,
ich fahr jetzt auch nach Coburg hoch … also servus, schönen Abend noch!«
    Er grinste, als er sich in den
Fahrersitz fallen ließ. Endlich schien er in seiner Hosentasche gefunden zu
haben, wonach er die ganze Zeit gesucht hatte. Verstohlen musterte er auf der
Handfläche das Objekt seiner Begierde.
    Ein unscheinbares, kleines
Schmuckstück.
    Ein silberner Frauenohrring, bräunlich
verkrustet.

Samstag, 20:32 Uhr / Coburg
    Abendsonne tauchte die
Türme und Giebel Coburgs in tiefes Orangerot. Erwartungsfroh schoben sich
Menschenmassen über das Kopfsteinpflaster der Altstadt, magisch angezogen vom
dumpfen Hämmern der Samba-Trommeln auf dem Schlossplatz und dem Markt. In den
Engstellen der Theatergasse, der Herrngasse und der Großen Johannisgasse kam es
immer wieder zum Stillstand. Zentimeterweise drückte man sich aneinander
vorbei.
    Was für ein Paradies für
Frotteure und andere Kranke, dachte Charly. Direkt hinter dem Zeughaus wurde er
heftig gegen den fülligen Po einer dauergewellten, blondierten Endvierzigerin,
Typ Avon-Beraterin, gepresst. Als sie den Kopf drehte, hob er bedauernd die
Brauen und mimte routiniert den leicht Verlegenen. Sie lachte aus einem
unglaublich breiten, tiefrot angemalten Mund und setzte zu einer Erwiderung an,
die sofort vom furiosen Intro der »Grupo Samba Total« verschluckt wurde, die
wenige Schritte weiter eine spontane Session am Salzmarkt eröffnete.
    Mit einem schnellen Sidestep
nutzte Charly eine winzige Lücke und huschte über die Schwelle der »KostBar«.
Er atmete tief durch, als er in das spärlich besetzte Lokal trat. Statt lauter,
harter Samba-Rhythmen plötzlich Weichspülersound von Santana:
    »Oye como va, mi vida, oye
como va …«
    Drei gelangweilte Muttis rund um
einen Stehtisch; brave C&A -Blusen,
eng gewordene Jeanshosen. Betont achtlos blickten sie sofort wieder an ihm
vorbei, bliesen hingebungsvoll ihren Zigarettenrauch Richtung Zimmerdecke.
    Am Tresen, direkt unter dem
lautlos rotierenden Deckenventilator, ein südländischer Jungmacho, das
pechschwarze Haar mit Gel gebändigt und zum Zopf gebunden. Leise, aber
sichtlich erregt diskutierte er mit einem kleinen, untersetzten Bodybuildertyp: Ungesunde Blässe, breite Boxernase und hellgraues Muskelshirt mit schwarzem
Puma-Aufdruck. Hohe Wangenknochen und auffallend schmale Augen, registrierte
Charly. Typisch russisch.
    »Hey, Charly, altes Haus!«
    Bernhard Winter stand vor ihm,
grinste übers ganze Gesicht.
    »Servus, Bernie! Ewig nicht mehr
gesehen!« Erfreut boxte ihn Charly auf den Oberarm.
    Winter, ehemaliger
Kriminaloberkommissar, war jahrelang im K 1 auf demselben Flur wie Charly tätig gewesen. Vor vier Jahren hatte er
dann, mit einundvierzig, überraschend den Dienst quittiert. Im Kollegenkreis
war damals gemunkelt worden, Winter, dessen gute Kontakte ins Coburger
Rotlichtmilieu schon sprichwörtlich waren, sei damit nur einem drohenden
Disziplinarverfahren zuvorgekommen. Bei seinem »Ausstand«, einer legendären Party
im »Hotel Festungshof« an der Veste Coburg mit einhundertfünfzig Gästen,
Go-go-Girls und der Saragossa Band, hatte er sich öffentlich über »eine größere
Erbschaft« seiner Frau gefreut: Sie ermögliche es ihm, künftig auf eigenen
Füßen zu stehen. In den letzten vier Jahren hatte Winter
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