Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris
Autoren: Petra Kirsch
Vom Netzwerk:
Extraschichten, zusätzliche
Bereitschaftspolizei; in Coburg herrscht wieder für zweiundsiebzig Stunden
Ausnahmezustand. Aber das interessiert keinen Schwanz, für die Arschlöcher in
den VIP -Pavillons ist Sicherheit
genauso selbstverständlich wie das Gratisgläschen Caipirinha …
    Er setzte sich. Sofort klebte
der sommerlich aufgeheizte Plastikstuhl an seinen nackten Oberschenkeln.
Angewidert erhob er sich, hielt inne und ließ sich mit einem mürrischen Seufzer
wieder zurückfallen. Bloß nicht zurück ins Schlafzimmer, keine Diskussionen
riskieren über »Zusammenziehen« oder »gemeinsame Zukunft«. Unwirsch griff er
nach einem zerknitterten Lucky-Strike-Päckchen, das neben dem Boulevardblatt
»fz – Frankenzeitung« auf dem runden Tischchen vor ihm lag.
    Nur ein paar Züge paffen, kein
echter Rückfall.
    Es kam, wie er erwartet hatte.
    »Ich dachte, du hast aufgehört?«
    Lautlos war sie hinter ihn
getreten, stützte sich mit warmen Händen auf seine Schultern. Er spürte ihre
schweren, nackten Brüste an seinem kurz geschorenen Hinterkopf. Ein letzter,
gieriger Zug, dann drückte er die halb gerauchte Lucky in den verwitterten
roten Plastikaschenbecher.
    »Du solltest hier nicht so nackt
herumlaufen.«
    »Auf meinem Balkon?« Sie lachte,
presste sich neckisch-provozierend noch enger an ihn. »Wer soll mich denn hier
sehen?«
    »Bis zum Block dort drüben sind
es keine hundert Meter. Es gibt Ferngläser – und es gibt genügend Psychopathen,
auch bei uns in Franken.« Charly hielt ihr die »Frankenzeitung« vor die Nase:
    »Erlangen: Noch keine Spur
von der ›Berch-Bestie‹.«
    »Ach … du meinst, wegen dem Mord
auf der Berch-Kerwa neulich?«
    Ihre Auffassungsgabe war
deutlich schwächer entwickelt als ihre Oberweite, musste sich Charly, nicht zum
ersten Mal, insgeheim eingestehen.
    »Mord ist gut – der hat die Frau
regelrecht zerfetzt, zwölf Messerstiche in Hals und Rücken!«
    »Ach du Scheiße!« Schaudernd
ging sie in die Knie, verbarg ihre Brüste hinter seiner Stuhllehne. Ihr Kinn
wanderte auf seiner Schulter entlang.
    Charly schwieg. Er spürte, wie
ihre Wange immer näher kam. Gleich würde das Thema »Viertagebart« hochkochen.
Lässig spielte er seinen letzten Trumpf aus: »Die war fei auch Bedienung –
genau wie du!«
    Ärgerlich riss sie sich los und
stapfte zurück in die Wohnung.
    Charly unterdrückte ein kurzes,
heftiges Gähnen.
    Noch drei Stunden bis zur
Samba-Eröffnung.

18:10 Uhr / Bamberg
    Der korpulente kleine
Tankstellenkassierer ereiferte sich. In seinen grünen Overall gezwängt wie ein
Presssack in die Pelle, trommelte er mit kurzen, dicken Wurstfingern ein
Stakkato auf den wackligen weißen Bistrotisch. Schwitzend redete er auf sein
Gegenüber ein, einen hageren, unrasierten Endfünfziger, dem die Beck’s-Dose in
der Hand klebte.
    »Und das Schönste ist ja, da
stellt sich die Polizei hin und erklärt öffentlich, öf – fent – lich!, dass sie
sowieso für nix garantieren kann, solange der Typ nicht hinter Schloss und
Riegel ist; gerade Frauen und Mädchen müssten halt jetzt besonders aufpassen!
Besonders aufpassen! Meister! Heute Abend geht in Coburg Samba los, ich hab
vier Töchter zwischen zwölf und zwanzig, die alle da hinwollen, soll ich die
jetzt vielleicht das ganze Wochenende in den Keller sperren?«
    Neugierig drehte ein
Tankstellenkunde den Kopf, stellte den Playboy wieder ins Regal und kam
erwartungsvoll näher. Geschickt nutzte er die kurze Atempause vor dem nächsten
drohenden Wortschwall.
    »Gibt’s wohl was Neues von dem
Mord in Erlangen?«
    »Was Neues?« Verblüfft wandte
sich der Kassierer dem Neuankömmling zu. »Von wegen, des is es ja! Da läuft so
ein Geisteskranker frei herum, und die haben immer noch keine Spur von ihm!«
    Zwei Schweißperlen rannen ihm
über die puterrote Wange und den mächtigen Hals, versickerten in seinem
schmuddelig-beigefarbenen Polokragen.
    Ein schlecht unterdrücktes
Aufstoßen des Beck’s-Dosen-Halters. »Ist bestimmt wieder so ein Perverser, den
sie vorzeitig entlassen haben.«
    Nachdenklich nickte der
Playboy-Leser. »Schätze auch, dass da eine Zeitbombe tickt. Die meisten haben
das noch gar nicht realisiert; der schlägt bestimmt wieder zu.«
    Geistesabwesend nestelte er in
seiner Hosentasche herum.
    »I just
wannafeeeeeeelreealloooove«, schmachtete
Robbie Williams aus dem Deckenlautsprecher.
    Der Tankwart war in seinem
Element. »So einer schlägt freilich wieder zu! Und wenn sie ihn endlich haben,
dann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher