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Mord in Babelsberg

Mord in Babelsberg

Titel: Mord in Babelsberg
Autoren: Susanne Goga
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oder angefasst?«, fragte der Kommissar.
    »Nein. Ich habe einen angemessenen Abstand zur Toten eingehalten.« Er wusste genau, was einen Schupo erwartete, der versuchte, einen Tatort »aufzuräumen«, oder eine Leicheaus Pietätsgründen anders hinlegte, wie es früher üblich gewesen war.
    »Sehr gut. Wo ist die Frau, die Sie verständigt hat?«
    »In der Hausmeisterwohnung. Sie wurde ärztlich behandelt und ist bedingt vernehmungsfähig.«
    »Robert, das übernimmst du«, sagte der Kommissar zu dem Blonden.
    Dieser nickte. »Zeigen Sie mir die Wohnung.«
    Leo und Sonnenschein begaben sich zu der Stelle, an der die Tote lag.
    »Schlagader«, sagte Sonnenschein.
    »Offensichtlich.« Leo ging langsam im Halbkreis um die Leiche herum. »Stenographieren Sie.«
    Sonnenschein holte Notizblock und Bleistift heraus.
    »Dienstag, 8. Juni 1926, 9.48  Uhr. Weibliche Leiche, Fundort Innenhof Riehmers Hofgarten, Berlin-Kreuzberg. Die Tote liegt auf dem Rücken, vollständig bekleidet, auf den ersten Blick keine Anzeichen sexueller Gewalt. Gesicht nach rechts zur Hausmauer gedreht. Starke Blutung, vom Hals ausgehend. Lache aus geronnenem Blut unter Kopf und Hals. Rötlichbraune Spritzer an der Hauswand, vermutlich Blut. Kleine Handtasche in etwa einem Meter Entfernung auf dem Boden.« Er zog dünne Handschuhe aus der Jackentasche und streifte sie über, bevor er sich bückte und die Tasche vorsichtig anhob. Dunkelblaues Leder mit Knipsverschluss. Passend zu Schuhen und Mantel. Er legte sie vorsichtig wieder ab.
    In diesem Augenblick kam eine Gruppe von Männern aus Richtung Großbeerenstraße auf sie zu, einer schleppte eine Fotoausrüstung. »Der Erkennungsdienst, Herr Kommissar.«
    Leo erhob sich. »Morgen, Paul«, sagte er zu einem der Beamten. Paul Delbrück war ein zuverlässiger Mann, mit dem er gern zusammenarbeitete, einer der besten im Erkennungsdienst. Durch seine körperliche Fülle wirkte er träge, und Leostaunte immer wieder, wie behände er sich am Tatort bewegte.
    »Morgen, Leo.« Delbrück warf einen Blick auf Mauer und Leiche. »Netter Anblick, was? Kaum zu fassen, wie wild die Leute da draußen auf so was sind.«
    »Neugier, kennst du doch«, meinte Leo und trat beiseite, damit die Kollegen ihre Arbeit tun konnten. Sie begannen, die Umgebung des Tatorts systematisch nach Spuren und Beweismitteln abzusuchen. Einer zeichnete die genaue Lage von Leiche und Handtasche ein. Der Fotograf würde danach alles genau dokumentieren.
    Leo schaute an den Fassaden hoch. Fenster hatten sich geöffnet, Bewohner schauten heraus, manche stützten sich bequem mit verschränkten Armen auf die Fensterbank. Eine Frau hielt die Hand vor den Mund, als müsste sie einen Schrei unterdrücken, schaute aber wie gebannt herunter. Er drehte sich zu Sonnenschein um. »Wir brauchen mehr Leute. Wir müssen eine Tür-zu-Tür-Befragung durchführen, und die Anlage ist ganz schön groß.«
    »Ich bezweifle, dass es viele Zeugen gibt. Bedenken Sie die frühe Uhrzeit. Hier wohnt keiner, der zur Frühschicht in die Fabrik muss.«
    Leo nickte. »Deshalb dehnen wir die Befragung auch auf den gesamten Block Belle-Alliance-, Hagelberger, Großbeeren- und Yorckstraße aus. Die Hausmeisterin hat ein Telefon, rufen Sie im Präsidium an. Sie sollen uns weitere sechs bis acht Leute schicken, ruhig aus anderen Abteilungen.«
    Sonnenschein verschwand in die Richtung, in die Schmehl und Walther gegangen waren.
    »Leo.« Delbrück war neben ihn getreten.
    »Was gefunden?«
    Der Kollege hielt einen roten Gegenstand zwischen Daumen und Zeigefinger. Er war etwa fünfzehn Zentimeter lang und lief spitz zu. Dunkel verkrustet, zweifellos mit Blut.
    »Das lag neben ihrem Hals, fast darunter. War in dem ganzen Blut kaum zu erkennen. Sieht aus wie eine Scherbe.« Delbrück schob den Gegenstand vorsichtig in ein Glas mit Deckel.
    »Gute Arbeit, Paul.« Leo schaute sich um. Mit Fußspuren war bei dem trockenen Wetter nicht zu rechnen. Er hoffte auf Fingerabdrücke an der Tasche oder der Toten selbst. Wenn sie Glück hatten, fand sich auch etwas an der Scherbe.
    In diesem Augenblick kam ein junger Mann mit Hornbrille und strengem Seitenscheitel, den Leo noch nie gesehen hatte, auf die Gruppe zu. Er hielt sich militärisch gerade und hätte beim Grüßen fast die Hacken zusammengeschlagen. »Dr. Albertz, Herr Kommissar, Institut für Gerichtliche Medizin. Ich bin neu im Dienst. Herr Dr. Lehnbach war verhindert und lässt Grüße ausrichten.«
    »Danke.« Hoffentlich nicht
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