Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord im Pfarrhaus

Mord im Pfarrhaus

Titel: Mord im Pfarrhaus
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
selbst getötet hat. Ich nehme an, Mr Hawes fand diesen Brief heute Abend, gerade nachdem er die verhängnisvolle Tablette genommen hatte. In seinem verwirrten Zustand kam er ihm wie etwas Übernatürliches vor, und das zusammen mit der Predigt des Pfarrers muss ihn bewogen haben, alles zu gestehen.»
    «Donnerwetter», sagte Colonel Melchett. «Donnerwetter! Höchst ungewöhnlich. Ich – ich glaube kein Wort davon.»
    Er hatte noch nie etwas behauptet, das weniger überzeugend geklungen hat. Er musste es selbst gemerkt haben, denn er fuhr fort:
    «Und können Sie den anderen Telefonanruf erklären – den aus Mr Reddings Häuschen bei Mrs Price Ridley?»
    «Ah!», sagte Miss Marple. «Das nenne ich den Zufall. Die liebe Griselda rief an – sie und Mr Dennis, glaube ich. Sie hatten die Gerüchte gehört, die Mrs Price Ridley über den Pfarrer verbreitete, und sie wollten sie durch diese (doch wohl ziemlich kindische) Methode zum Verstummen bringen. Der Zufall liegt darin, dass ihr Anruf genau zur gleichen Zeit kam wie der falsche Schuss im Wald. Daraus schloss man, beides müsse miteinander zu tun haben.»
    Plötzlich fiel mir ein, dass jeder diesen Schuss als «ungewöhnlich» bezeichnet hatte. Sie hatten Recht gehabt. Aber wie schwierig zu erklären, worin das ‹Ungewöhnliche› des Schusses bestand!
    Colonel Melchett räusperte sich.
    «Ihre Lösung klingt sehr plausibel, Miss Marple», sagte er. «Aber Sie werden mir erlauben darauf hinzuweisen, dass es nicht den Schatten eines Beweises gibt.»
    «Ich weiß», sagte Miss Marple. «Aber Sie glauben, dass sie stimmt, nicht wahr?»
    Nach einer Pause sagte der Colonel fast widerwillig: «Ja, ich glaube es. Verflixt noch mal, es ist die einzige Möglichkeit, wie es geschehen sein kann. Aber es gibt keinen Beweis – nicht den geringsten.»
    Miss Marple hustete. «Deshalb dachte ich, dass vielleicht unter diesen Umständen…»
    «Ja?»
    «… eine kleine Falle erlaubt wäre.»

Einunddreißigstes Kapitel
     
    C olonel Melchett und ich starrten sie an.
    «Eine Falle? Was für eine Art Falle?»
    Miss Marple zierte sich ein wenig, aber es war klar, dass sie schon einen Plan perfekt ausgearbeitet hatte.
    «Angenommen, Mr Redding würde angerufen und gewarnt.»
    Colonel Melchett schmunzelte.
    «‹Alles ist entdeckt. Fliehen Sie!› Das ist ein alter Trick, Miss Marple. Nicht, als ob er nicht häufig Erfolg hätte! Aber ich glaube, in diesem Fall ist der junge Redding zu gerissen, um sich so fangen zu lassen.»
    «Es müsste etwas Ungewöhnliches sein. Das ist mir klar», sagte Miss Marple. «Ich würde vorschlagen – nur als eine Anregung –, dass die Warnung von jemandem kommen sollte, der für seine erstaunlichen Ansichten zu diesen Dingen bekannt ist. Nach Dr. Haydocks Äußerungen würde jeder annehmen, dass er einen Mord nach ausgefallenen Gesichtspunkten beurteilt. Wenn er durchblicken ließe, dass jemand – Mrs Sadler, oder eines ihrer Kinder – tatsächlich den Tausch der Tabletten bemerkt hätte – nun, wenn Mr Redding unschuldig ist, wird diese Feststellung ihm selbstverständlich gar nichts sagen, aber wenn nicht…»
    «… dann könnte er womöglich etwas Törichtes tun.»
    «Und sich uns ausliefern. Das ist möglich. Sehr raffiniert, Miss Marple. Aber wird Haydock mitmachen? Wie Sie ganz richtig sagen, sind seine Ansichten…»
    Miss Marple unterbrach ihn lebhaft. «Oh, aber das ist Theorie! Etwas ganz anderes als die Praxis, nicht wahr? Aber hier kommt er, wir können ihn also fragen.»
    Ich glaube, Haydock war ziemlich erstaunt, Miss Marple bei uns anzutreffen. Er sah müde und erschöpft aus.
    «Es war knapp», sagte er, «sehr knapp. Aber er kommt durch. Es ist Aufgabe eines Arztes, seinen Patienten zu retten, und ich habe ihn gerettet, aber ich wäre genau so froh gewesen, wenn ich es nicht geschafft hätte.»
    «Sie denken vielleicht anders», sagte Melchett, «wenn Sie gehört haben, was wir Ihnen zu sagen haben.»
    Und kurz und prägnant erläuterte er dem Arzt Miss Marples Lösung des Verbrechens und schloss mit ihrem letzten Vorschlag.
    Dann konnten wir am Beispiel sehen, was Miss Marple mit dem Unterschied zwischen Theorie und Praxis gemeint hatte.
    Haydocks Ansichten schienen sich völlig verändert zu haben. Ich glaube, am liebsten hätte er Lawrence Reddings Kopf auf einem Tablett gesehen. Ich denke mir, es war nicht der Mord an Colonel Protheroe, der seinen Hass so schürte. Es war der Anschlag auf den unglücklichen Hawes.
    «Der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher