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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Autoren: Colleen McCullough
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reich. Freudig hatte er eine riesige Summe dafür springen lassen, daß er einen Patrizierjungen adoptieren konnte, der nicht nur blendend aussah, sondern auch leidlich intelligent war. Sextus hatte das Geld, das der Junge ihm eingebracht hatte, wohlüberlegt in Ländereien und Immobilien angelegt. Seine beiden jüngeren Söhne hatten somit mehr zu erwarten als ein Hinterbänklerdasein im Senat.
    Der nüchtern rechnende Sextus war freilich eher eine Ausnahme. Die anderen Männer der Familie hatten seit je das Problem, daß sie mehr als einen Sohn zeugten und alle gleichermaßen liebten. Nie brachten sie es über sich, einen ihrer zahlreichen Sprößlinge zur Adoption freizugeben oder wenigstens dafür zu sorgen, daß ihre Kinder vorteilhafte Ehen eingingen. So waren ihre einstmals großen Ländereien im Lauf der Jahrhunderte immer weiter geschrumpft, weil sie auf immer mehr Söhne verteilt oder für die Mitgift der Töchter verkauft werden mußten.
    Auch Marcias Mann Gaius Julius setzte diese Tradition fort. Er hing an seinen Kindern, war stolz auf seine Söhne und vernarrt in seine Töchter und ließ sich nicht von der Vernunft leiten, wie es einem richtigen Römer geziemte. Denn sonst hätte er den ältesten Sohn zur Adoption freigeben und die beiden Mädchen schon vor Jahren reichen Bürgern für die Ehe versprechen müssen. Nur das Geld bestimmte die politische Karriere. Auf die aristokratische Herkunft war schon lange kein Verlaß mehr.

    Das neue Jahr begann wenig verheißungsvoll. Ein kalter Wind trieb dünne Regenschleier vor sich her über das nasse, rutschige Pflaster und verstärkte den beißenden Gestank abgestandener Asche, der in der Luft lag. An einem solchen Feiertag zogen es die einfachen Leute in Rom vor, in ihren engen Wohnungen auf ihren Strohsäcken liegenzubleiben.
    Bei schönem Wetter hätten sich auf den Straßen Menschen aller Schichten getummelt und von geeigneten Aussichtspunkten den prachtvollen Umzügen auf dem Forum Romanum und dem Kapitol zugeschaut. Aber an diesem trüben Tag kamen Marcia und ihre Töchter gut voran, und die Sklaven mußten den Damen nicht gewaltsam einen Weg durch die Menge bahnen.
    Die schmale Gasse, in der das Haus von Gaius Julius Caesar lag, mündete in den Clivus Victoriae, eine Straße unweit der Porta Romulana, dem altehrwürdigen Stadttor des alten Palatins. Das Stadttor war aus mächtigen Quadern zusammengefügt, die Romulus vor sechshundert Jahren eigenhändig dort aufgeschichtet hatte, die inzwischen aber mit allerlei Gestrüpp überwuchert waren. Die Frauen wandten sich nach rechts und gingen den Clivus Victoriae hinab bis zu der Ecke, wo sie vom Cermalus aus das Forum Romanum überblicken konnten. Nach fünf Minuten hatten sie ihr Ziel erreicht, ein ödes Stück Brachland. Vor zwölf Jahren noch hatte hier eines der vornehmsten Häuser Roms gestanden, jetzt erinnerte daran nur noch hier und da ein halb im Gras verborgener Stein. Von hier aus hatte man einen unverstellten Blick auf das Forum Romanum und das Kapitol, auf das lebhafte Treiben in der Subura und auf die Hügel, die die Stadt im Norden begrenzten. Die Sklaven stellten Klappstühle für Marcia und die beiden Julias auf.
    »Hast du schon gehört?« fragte Caecllia, die Frau des Geldverleihers Titus Pomponius, die hochschwanger mit ihrer Tante Pilla in der Nähe saß. Sie wohnten in derselben Straße wie die Caesars, im übernächsten Haus.
    »Nein, was denn?« Marcia beugte sich fragend vor.
    »Die Konsuln, Priester und Auguren haben gleich nach Mitternacht mit den Gebeten und Zeremonien angefangen, um nur ja rechtzeitig fertig zu sein... «
    »Das machen sie immer so!« unterbrach Marcia. »Denn wenn sie einen Fehler machen, müssen sie wieder ganz von vorn anfangen.«
    »Ja ich weiß, so dumm bin ich nun auch wieder nicht!« sagte Caecilia giftig. Sie ärgerte sich, daß die Tochter eines Prätors sie belehren wollte. »Die Sache ist nur die, daß sie keinen Fehler gemacht haben! Die Himmelszeichen waren einfach ungünstig. Viermal hat es geblitzt, und mitten auf der Kultstätte hat eine Eule geschrieen, es klang wie ein Todesschrei. Und jetzt noch dieses Wetter - das wird kein gutes Jahr werden, von den Konsuln ganz zu schweigen.«
    »Das hätte ich dir auch ohne Blitz und Eulen sagen können«, erwiderte Marcia. Ihr Vater war zwar nicht Konsul geworden, doch er hatte in seiner Funktion als Stadtprätor den großen Aquädukt gebaut, die Trinkwasserleitung für ganz Rom. Mit diesem Werk war er
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