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Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Titel: Monkeewrench 06 - Todesnaehe
Autoren: P.J. Tracy
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hatte er hin und wieder organisierte Führungen für das Hotel geleitet, aber das war alles. Ihm war es lieber, von der Natur zu leben, als irgendwelche unfähigen weißen Sonntagsjäger dabei zu unterstützen, die sanftmütigen Seelen zu quälen, die das Land bevölkerten. Als man dann mit Pfeil und Bogen zu jagen begann, hatte er sich endgültig gegen einen der gutbezahlten Posten im Hotel entschieden. Er konnte einfach nicht begreifen, worin für einen Chimook, der nichts von der Tradition wusste, der Reiz dieser höchst anspruchsvollen Art des Jagens liegen sollte.
    Die Bogensaison fängt eben früher an
, hatte der Chief ihm einmal erklärt.
Und die Leute fühlen sich dadurch wie echte Männer, selbst wenn sie sich dabei blamieren.
    Trotzdem konnte Moose nicht mit ansehen, wie diese Möchtegern-Jäger mit ihren superteuren Compound-Bögen einem Rehbock achtlos ihre handgearbeiteten Pfeile in die Flanken oder in den Bauch schossen. Das arme Tier rannte noch Kilometer weiter und musste schreckliche Schmerzen erdulden, bis es endlich zusammenbrach und seinen Wunden erlag.
    Moose holte tief Luft, verbannte diese Überlegungen aus seinem Kopf und konzentrierte sich auf das, was vor ihm lag. In der indianischen Tradition teilte sich die Menschheit in zwei Gruppen: diejenigen, die alles Leben ehrten, und diejenigen, die das nicht taten. Die Feinde, die jetzt in das Reservat eingedrungen waren, ehrten das Leben offensichtlich nicht, das machte es leichter für ihn. Es bedeutete, dass sie nicht verdient hatten zu leben und dass er sie töten durfte.
    Von seinem Baumsitz aus glitt sein Blick über den verschneiten Wald, dann ließ er sich im Schneidersitz nieder und streichelte das glatte Holz des Bogens, den sein Urgroßvater vor fast hundert Jahren eigenhändig geschnitzt hatte. Moose stellte seine Pfeile selbst her und arbeitete so lange daran, bis sie ganz perfekt waren. Die Flugbahn musste vollkommen sein, die Spitze scharf und makellos, denn nur ein glatter Schuss ins Herz zählte. Der Tod musste sofort eintreten und so schmerzlos wie möglich sein; nur dann war es ein guter Tod. In all den Jahren hatte Moose weder Mensch noch Tier je verwundet, nicht einmal im Krieg. Ob er nun mit dem Gewehr oder mit seinem Bogen schoss, er traf immer ganz genau, und darauf war er stolz.
    Nach den vielen Stunden, die er nun schon reglos im kalten Dämmerlicht ausharrte, machten sich seine Beine bemerkbar. Langsam und vorsichtig erhob er sich – es war kaum wahrzunehmen, dass er sich überhaupt bewegte. Nachdem er eine weitere halbe Stunde reglos dagestanden hatte, nahm er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Ein letzter, verirrter Strahl der untergehenden Sonne traf auf den gedrungenen Lauf einer AK -47.
    Jetzt sah er auch den schattenhaften menschlichen Umriss, hörte das Knirschen schwerer Stiefel auf dem vereisten Waldboden. Ein echter Krieger würde sich niemals auf diese Weise bemerkbar machen, nie einfach nur einen Schritt vor den anderen setzen und sich damit als Mensch zu erkennen geben. Falls es doch einmal unter dem Fuß knackte, blieb man stehen und wartete geduldig eine kleine Ewigkeit, damit die Beute oder der Feind das Geräusch gleich wieder vergaßen, anstatt sich darauf zu fixieren.
    Die Worte des Chiefs kamen ihm wieder in den Sinn:
Das ist ein Polizeieinsatz. Versucht es mit Festnahmen und schießt nur, wenn auf euch geschossen wird. Ist das klar?
    Moose verehrte und respektierte den Chief, aber manchmal fragte er sich, ob der Alte nicht schon zu lange den Regeln des FBI folgte und darüber seine eigenen Traditionen vergaß.
    Ganz still stand er auf seinem Ausguck, sechs Meter über dem Boden und dadurch unsichtbar. Der Mann unter ihm ahnte nichts von seiner Anwesenheit – er würde also auch nicht auf ihn schießen.
    Langsam ließ sich Moose auf ein Knie nieder, um besseren Halt zu finden, und spannte den Bogen, sein Pfeil abschussbereit. Der Idiot warf keinen Blick nach oben.
Wüstenausbildung
, dachte Moose abfällig. In diesem Ödland, dem der Segen des Schöpfers fehlte, gab es keine Bäume, daher hatte der Mann kein Gefühl für Gefahren. Er würde einfach weiter auf die Jagdhütte zuhalten.
    Es wurmte Moose, dass er hier war, um ein paar dumme Weiße zu beschützen. Tief im Innern waren sie ihm alle verhasst, doch die Somalier hasste er noch sehr viel mehr. Eine seiner Nichten war dem Mädchenhandel zum Opfer gefallen, mit dem die Kerle ihre Terrororganisationen im Ausland finanzierten, es galt also,
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