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Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Titel: Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter
Autoren: Karin Jaeckel
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wagte den ersten Versuch, auf eigenen Füßen zu stehen. Da ich noch minderjährig war, war mein Vater unterhaltsverpflichtet. Erst als ich eine Anwältin einschaltete, bequemte er sich, tatsächlich den Mindestsatz zu leisten.
    Als sei meine Wohnung sein zweiter Wohnsitz, ging er bei mir ein und aus. Wie zuvor benutzte er meinen Körper nach Lust und Laune. Schließlich bezahle er mich ja fürstlich dafür, sagte er zu mir; oder ob ich mir einbilde, er habe Geld zu verschenken?
    Meinem Therapeuten blieb diese Geschichte nicht verborgen. Von ihm vor die Wahl gestellt, entweder die Therapie als sinnlos abzubrechen oder mich endgültig von meinem Vater loszusagen, entschloss ich mich, einen Schlussstrich unter das traurige Kapitel Familie zu ziehen. So entstand im Juni 1987 ein langer Brief, in dem ich mich endgültig von meinen Eltern lossagte.
    Ich benötigte Tage, diesen Brief zu verfassen. Immer wieder zerriss ich die Seiten, weil mir das Geschriebene zu hart erschien, zu deutlich, zu offen, weil ich es nicht ertrug, das so lange gehütete Geheimnis zu lüften. Nichts wagte ich in seiner vollen Tragweite zu formulieren, selbst die nichts sagendsten Anklagen schienen mir ein Verbrechen gegen meinen Vater zu sein.
    Als ich mir die Seiten endlich abgerungen und in meinem saubersten Deutsch zum x-ten Male abgeschrieben hatte, brachte ich es nicht über mich, den Brief in den Kasten zu werfen. Als es mir schließlich gelang, legte ich mich mit gefalteten Händen zu Bett und erwartete, auf der Stelle an meiner Schlechtigkeit zu sterben.
    Von meinen Eltern kam keine Antwort. Oder war es nur eine andere Form der Antwort, als alle möglichen Leute mich plötzlich anriefen und mich am Telefon beschimpften? Ich sei ja wohl total übergeschnappt und verrückt geworden, meinen guten, wunderbaren Vater so zu verleumden und zu beleidigen! Oma Grete, Tante Inge, alle, die ich geliebt hatte, wandten sich nun empört von mir ab.
    Nur meine Mutter schien etwas begriffen zu haben. Sie, die bis dahin meine schlimmste Feindin gewesen war, begann auf einmal, meine Verbündete zu werden. Sie versprach mir, mich telefonisch vorzuwarnen, sobald mein Vater das Haus verließ und sich ganz offensichtlich auf den Weg zu mir machte.
    Natürlich weiß ich, dass es für meine Mutter allenfalls ein Nebeneffekt war, dass sie mich vor meinem Vater warnte. Ihr Hauptbeweggrund aber war, dass sie ihn für sich selbst behalten oder zurückgewinnen wollte. Gelang es ihm nicht, meiner habhaft zu werden, würde er mit meiner Mutter vorlieb nehmen, so hoffte sie.
    Meine Gegenleistung war, dass ich den Mund hielt, als meine Mutter meine Unterschrift fälschte und Geld von meinem Konto abhob. Auch half ich ihr im Haushalt, wenn mein Vater nicht zu Hause war, und kaufte für sie ein.
    Meinen Vater hielten wir beide mir damit jedoch nicht vom Hals. Ein Umzug schien die einzige echte Chance, ihm zu entkommen. Das Kaufhaus, in dem ich mittlerweile eine Lehre als Einzelhandelskauffrau begonnen hatte, war mir behilflich. Ich erhielt die Chance, meine Lehre in einer anderen Niederlassung der Kaufhauskette fortzusetzen.
    Der Verlust meiner Freunde, die Einsamkeit an meinem neuen Wohnort, wo ich zunächst im Frauenhaus lebte, um wenigstens ein Dach über dem Kopf zu haben, die Umstellung in meinem Beruf – alles zusammen machte mir schwer zu schaffen.
    Es schien mir so sinnlos weiterzukämpfen. Wofür denn? Für mich? Wer oder was war ich denn? Ein Körper, zum Missbrauch geboren. Lohnte es sich, dafür zu leiden, zu kämpfen?
    Es kam der Tag, an dem mein Vater meinen neuen Wohnsitz ausfindig gemacht hatte und mir vor dem Kaufhaus auflauerte. Meine Mutter, die mir versprochen hatte, mir zu helfen, wenn ich ihm nur deutlich genug sagte, ich wolle ihn nicht, ließ mich im Stich. Wieder einmal. Ich war es ja nicht anders gewohnt. Doch es tat noch immer weh.
    Welche Zuflucht blieb mir noch? Die Klinik – sicher hinter einer Tür, die mich zwar ein-, aber andere auch ausschloss. So kam ich erneut in intensive psychotherapeutische Behandlung. Aber ich war nicht verrückt. Hinter verschlossenen Anstaltstüren war ich fehl am Platz. Ich wusste es ja. Nur wusste ich nicht, wohin sonst.
    »Ich zeige ihn an«, sagte ich zu meiner Mutter, als sie eines Tages gemeinsam mit meinem Vater in Mannheim auftauchte, wo ich Zuflucht gesucht hatte. »Sag ihm, dass ich ihn anzeige, wenn er mich nicht in Ruhe lässt. Ich halt’s nicht mehr aus. Ich tu’s, sag’s ihm!«
    »Das darfst du
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