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Mörderische Harzreise (German Edition)

Mörderische Harzreise (German Edition)

Titel: Mörderische Harzreise (German Edition)
Autoren: Helmut Exner
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nach vorausbestimmt. Und er konnte einfach nicht die Energie aufbringen, etwas ganz Anderes zu machen.
    Ferdinand hatte jemanden beauftragt, sich während des Leerstands um das Haus zu kümmern. Allerdings betraf das nur die Gartenpflege und das Ausführen der notwendigsten Reparaturen. In all den Jahren war er vielleicht vier- oder fünfmal da. Als er dann 1987 die Schnauze voll hatte von jeglichem beruflichen Stress, beschloss er, sich zur Ruhe zu setzen. Er hatte die Welt bereist, und es bestand kein Bedarf mehr, noch irgendetwas zu sehen oder Abenteuer zu erleben. Er wollte einfach nur seine Ruhe haben. Und da geschah es, dass er sich in das Anwesen in Braunlage neu verliebte.
    Inzwischen war er nun seit fünfundzwanzig Jahren hier. Ferdinand genoss sein Einsiedlerleben. Er schätzte die Stille und Abgeschiedenheit des Hauses und erfreute sich der zauberhaften Landschaft, die es umgab. Dies war der perfekte Platz, an dem er seinen Lebensabend verbringen wollte. Alles war gut, wie es war.
    Als er das Bild bei seinem Einzug erstmals wieder bewusst in Augenschein nahm, war es so wie immer. Die Frau in Weiß schwebte nicht mehr über dem Gebäude, sondern stand wieder auf dem Balkon. Ferdinand war nicht abergläubisch oder esoterisch angehaucht. Er ließ das Bild hängen und kümmerte sich nicht weiter darum.

Lautenthal

     
    Lilly saß noch die letzte Nacht in den Knochen. Es war vier Uhr morgens, als sie endlich ins Bett gekommen war. Dass sie, statt zu schlafen, so viel Zeit mit einem Alligator und einem humorlosen Polizisten verbracht hatte, ärgerte sie. Sie bestieg ihren neuen Passat und ärgerte sich gleich wieder, dass sie ihren schönen, zwanzig Jahre alten BMW nicht mehr hatte. Sie musste vorsichtig sein mit dem Gas. Ein bisschen zu viel und sie würde den Schulberg herunter rasen oder irgendwo im Vorgarten landen.
    Und jetzt auch noch Ferdinand und die Sache mit dem Bild. Eigentlich wäre sie heute lieber nach Clausthal gefahren, um die Sauschlägers zu besuchen. Heute Morgen beim Frühstück kam ihr nämlich ein Verdacht. Gestern war Rita Sauschläger mit zwei ihrer Kinder zu Besuch gewesen. Und so, wie sie diese Kinder kannte, konnten sie es gewesen sein, die den Alligator in ihrem Garten ausgesetzt hatten. Aber egal. Das hatte Zeit. Hauptsache, das arme Tier war in Sicherheit. Auf jeden Fall würde sie sich in den nächsten Tagen bei dem dicken, Pfefferminzpastillen lutschenden Polizisten erkundigen, wo sich der Alligator nun befand.
    Jetzt ging es erst mal um Ferdinand, einen ihrer ältesten Freunde. Ein Sonderling zwar, aber das war sie selbst ja in den Augen ihrer Mitmenschen auch. Die Geschichte mit dem Bild kannte sie seit über fünfzig Jahren, als Ferdinands Mutter so plötzlich gestorben war. Sie hatte keinen Grund zu bezweifeln, was alles über das Gemälde erzählt wurde. Man muss ja nicht alles erklären können. Auf jeden Fall war das eine spannende Angelegenheit. Und sie würde jetzt Zeugin dieses mysteriösen Ereignisses werden. Oder es entlarven.

Braunlage

     
    Als Lilly in Braunlage vor Ferdinands Haus vorfuhr, dachte sie: früher, als der breite Vorgarten noch aus einer bunten Wiese bestand, sah es schöner aus. Heute musste alles seine Ordnung haben. Der Rasen und die Blumenbeete waren zwar gepflegt, strahlten aber keine Natürlichkeit mehr aus. Dann kam Ferdinand aus dem Haus, um sie mit einer herzlichen Umarmung zu begrüßen. Er schaute etwas missmutig drein. Naja, kein Wunder, dachte Lilly. Erstens die Sache mit dem Bild und zweitens der komische Besuch, der heute kommen würde. Ferdinand war eine imposante Erscheinung. Sein volles weißes Haar und der schlanke Körperbau ließen ihn jünger aussehen als dreiundachtzig. Er trug Jeans und T-Shirt.
    Im Treppenhaus begutachtete Lilly dann das Bild, das sie gut kannte, und war entsetzt. Die Frau in Weiß, die einst auf dem Balkon gestanden hatte, lag nun ganz unten am Bildrand, alle Viere von sich gestreckt, wie eine Tote da.
    »Die Dame nimmt kein Sonnenbad. Die ist tot«, sagte Lilly.
    »Genau das habe ich heute Morgen auch gedacht. Das war ja bei jeder Veränderung des Bildes so, dass ein Mensch auf gewaltsame Weise ums Leben gekommen ist.«
    »Wann, außer heute Morgen, hast du denn das Bild zum letzten Mal länger betrachtet, Ferdinand?«
    »Ich habe keine Ahnung. Das muss Wochen her sein. Vielleicht aber auch schon Monate.«
    »Hast du kontrolliert, ob die Farbe an der veränderten Stelle trocken ist?«
    »Sie ist
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