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Mitternachtspicknick

Mitternachtspicknick

Titel: Mitternachtspicknick
Autoren: Charlotte Link
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dass sie kein Abteil für sich alleine gefunden hatte. Diane und Angie kümmerten sich nicht weiter um sie, sondern blickten zum Fenster hinaus auf die vorübersausende Landschaft. Erst als der Schaffner kam und die Fahrkarten verlangte, drehten sie sich wieder um. Die Fremde griff geziert nach ihrem Handtäschchen. Plötzlich weiteten sich ihre Augen und sie stieß einen erschrockenen Laut aus.
    »Meine Fahrkarte! Mein Geld! Mein ganzes Portemonnaie ist weg!« Aufgeregt wühlte sie in der Tasche. Der Schaffner, ein missmutiger, dicker Mann, wurde ärgerlich.
    »Wenn du keine Fahrkarte hast, musst du an der nächsten Station raus«, sagte er brummig.
    Das Mädchen schrie erneut auf. »Aber was mach' ich dann da ohne Geld? Ich schwöre Ihnen, ich hatte eine Karte!«
    Wieder wühlte sie in der Tasche. Aufgelöst und durcheinander wie sie war, wirkte sie sympathischer.
    Diane bekam sofort Mitleid. »Ich bezahle für dich«, sagte sie großzügig. »Wir tauschen unsere Adressen, und du kannst mir das Geld dann gleich schicken.«
    »Das ist wirklich nett von dir«, sagte das Mädchen dankbar. Der Schaffner brummte noch ein wenig vor sich hin, stellte aber schließlich eine Fahrkarte aus. Kaum hatte er das Abteil verlassen, bekam die Fremde wieder ihren arroganten Gesichtsausdruck.
    »Vielen Dank«, sagte sie hochmütig. »Wie heißt du denn?«
    »Diane. Und das ist meine Schwester Angie.«
    »Ich heiße Kathrin. Ich gebe euch meine Adresse. Allerdings bin ich in den nächsten Wochen nicht zu Hause. Ich mache Ferien in einem Reiterpensionat.«
    »In einem ... wo denn?«, erkundigte sich Angie besorgt.
    Kathrin zog wieder die Augenbrauen hoch. »Eulenburg. Sehr exklusiv.«
    Das durfte doch nicht wahr sein! Angie und Diane hielten den Atem an.
    »Ach du lieber Gott«, sagte Diane schließlich.
    Kathrin musterte sie fragend. »Stört dich etwas daran?«
    Angie grinste. »Uns nicht. Die Frage ist, ob dich vielleicht etwas stört. Wir fahren nämlich auch dorthin.«
    Nun blieb Kathrin der Mund offen stehen. Die beiden Mädchen also auch? In ihren verwaschenen Jeans und einfachen Pullovern sahen sie gar nicht so vornehm aus, wie sich Kathrin das von ihren Gefährten in der Eulenburg erhofft hatte. Ihre Mutter hatte doch immer wieder beteuert, dass sich nur die feinsten Leute dort anmeldeten. Nun, dieser Urlaub würde womöglich noch eine schöne Pleite werden.
    Das gleiche dachten Angie und Diane auch.
    »Das kann ja heiter werden«, flüsterte Angie ihrer Schwester zu. Die nickte. Das war wirklich kein guter Anfang.

Als sie endlich ankamen, waren alle drei Mädchen sehr erschöpft. Das Umsteigen in Hamburg hatte viel Mühe gemacht, und die letzten Kilometer waren ihnen unendlich lang erschienen. Nun taumelten sie aus dem Zug und fühlten das Räderrollen noch in allen Knochen. Kathrin baute ihre eindrucksvolle Koffergarnitur um sich herum auf.
    »So, hier bleibe ich stehen«, verkündete sie. »Es wird ja wohl irgendjemand kommen und meine Koffer tragen.«
    »Sieht nicht so aus«, meinte Angie kühl. »Aber wenn du die Nacht hier verbringen möchtest - bitte! Wir gehen jedenfalls hinaus und sehen uns mal um.«
    Natürlich mochte Kathrin nicht allein zurückbleiben. Stöhnend und ächzend schleppte sie ihr Gepäck hinter den beiden anderen her. Auf der Straße vor dem Bahnhofsgebäude stand eine Kutsche, vor die zwei große, schwere Pferde gespannt waren. Auf dem Kutschbock saß ein Junge, der etwa vierzehn Jahre alt sein mochte. Er hatte dichte dunkle Haare und blaue Augen. Als er die drei Mädchen erblickte, lächelte er und sprang vom Wagen.
    »Hallo!«, sagte er. »Wollt ihr zur Eulenburg?«
    »Ja«, antwortete Diane. »Wir sind Diane und Angie Heller, und dies ist Kathrin.«
    Der Junge schüttelte ihnen die Hände. »Ich bin Tom Andresen. Herzlich willkommen!«
    Tom wirkte lässig und freundlich, sodass Diane und Angie insgeheim aufatmeten. Auch Kathrin schien beeindruckt. Sie schwenkte ihre schwarzen Locken und kicherte albern.
    »Sind das deine Pferde?«, fragte sie mit weit geöffneten Augen.
    »Die meiner Eltern«, erklärte Tom. »So, und jetzt gebt mir mal eure Koffer, damit ich sie aufladen kann.«
    Bald war alles verstaut, und auch die drei Mädchen saßen im Wagen. Tom ergriff die Zügel und schon trotteten die Pferde los. Der Weg führte durch ein paar schmale Straßen an strohgedeckten Häusern vorbei aus dem Städtchen hinaus. Rechts und links taten sich weite flache Sommerwiesen auf, am Horizont glänzten die
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