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Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)

Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)

Titel: Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)
Autoren: Stephan Schulmeister
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und wir stehen ja erst am Anfang der Talsohle im langfristigen Entwicklungszyklus (gewissermaßen analog zu 1931: »Recovery is just around the corner«). Weil eine gleichzeitige und massive Haushaltskonsolidierung in allen EU -Ländern derzeit die größte Gefahr dafür darstellt, dass sich die große Krise vertieft, möchte ich dieses Problem näher untersuchen.

7. Die neoliberalen Standardempfehlungen zur Budgetkonsolidierung
     
    Seit den frühen 1990er Jahren dominieren in der EU folgende Leitlinien zur Rückführung von Haushaltsdefizit und Staatsschuldenquote:
Die Konsolidierung soll in erster Linie durch eine konsequente Sparpolitik erfolgen, also durch Kürzung der Staatsausgaben.
Am stärksten werden jene Ausgaben reduziert, welche die Anreize zu Arbeitslosigkeit stärken bzw. die Eigenvorsorge hemmen, also Ausgaben für Arbeitslose und Pensionisten.
Auch Einsparungen im öffentlichen Dienst werden empfohlen, nicht zuletzt, um die Effizienz der staatlichen Verwaltung zu erhöhen.
Eine Streichung der Subventionen für Unternehmen würde nicht nur die Budgets entlasten, sondern gleichzeitig die durch solche Eingriffe in freie Märkte verursachten Verzerrungen von Wettbewerbsbedingungen und Preisen eliminieren.
Wenn ergänzende Steuererhöhungen unvermeidbar sind, dann sollten keinesfalls solche durchgeführt werden, welche die Leistungsanreize mindern: Die hohen Einkommen und Vermögen der »Leistungsträger« dürfen nicht zusätzlich belastet werden.
Auch umfassende Privatisierungen werden empfohlen, vom Verkauf staatlicher Beteiligungen an Industrieunternehmen und Banken bis zu den Dienstleistungen der Daseinsvorsorge (Post, Verkehr, Energieversorgung, Müllabfuhr, Telefonie etc.).
    Die Reduktion von Budgetdefizit und Staatsquote würde durch Absenken der öffentlichen Nachfrage sowie von Sozialtransfers den privaten Sektor expandieren lassen (»Mehr privat, weniger Staat«), nicht zuletzt wegen der Aussicht auf niedrigere Steuern (»Mehr Geld in den Taschen der Bürger« – in der Sprache der Wissenschaft: Ricardianische Effekte).
    All diese Empfehlungen und Erwartungen sind eingebettet in das neoliberale Weltbild: Der freie Markt kann am besten bestimmen, was, wie und für wen produziert wird, daher soll sich der Staat auf seine Kernaufgaben zurückziehen. Nach der Finanzkrise, die durch die freiesten Märkte und die privatesten Akteure verursacht wurde, müssen die neoliberalen Leitlinien für eine Budgetkonsolidierung radikal in Frage gestellt werden.

8. Kritik der neoliberalen Budgetpolitik
     
    Die Kritik an den neoliberalen Empfehlungen für eine Konsolidierung der Staatsfinanzen fasse ich in zehn Thesen zusammen.
    These 1: Neoliberale Budgetpolitik erhöht die soziale Ungleichheit und dämpft Konsum und Investitionen.
    Ausgabenseitige Budgetsanierung bedeutet: Es müssen nur jene etwas beitragen, die (bisher) vom Staat etwas bekommen haben, indem sie dann eben weniger bekommen. Folglich gilt grosso modo: Bei einer ausgabenseitigen Konsolidierung ist der Beitrag eines Haushalts umso kleiner, je höher seine Einkommen und Vermögen sind.
    Indem eine Haushaltskonsolidierung die sozial Schwächeren relativ stärker belastet als die Vermögenden, wird die Konsumnachfrage strukturell gedämpft, und indirekt auch die Investitionsdynamik. Denn diese hängt wesentlich von den Umsätzen bzw. den Umsatzerwartungen der Unternehmen ab.
    These 2: Neoliberale Budgetpolitik belastet die Opfer der Krise, nicht aber ihre Hauptverursacher.
    Die Finanzkrise hat den Staatshaushalt massiv belastet und gleichzeitig die Lage von Unternehmen und Arbeitnehmern dramatisch verschlechtert. Hauptgrund: Finanzvermögen hat jahrelang versucht, sich selbstreferenziell zu vermehren (unter Umgehung der Realwirtschaft) und so das Potenzial für die große Krise aufgebaut. Nun aber sollen laut den neoliberalen Budgetempfehlungen im Wesentlichen nur Unternehmer, Arbeitnehmer, Arbeitslose und Pensionisten Konsolidierungsbeiträge leisten.
    These 3: Die Hauptbegünstigten der Rettungspakete für die Banken müssen keinen nennenswerten Konsolidierungsbeitrag leisten.
    Die Maßnahmen der Staaten haben (weltweit) die Finanzvermögen gerettet. Die Hauptnutznießer der dadurch in Kauf genommenen Budgetverschlechterung brauchen nach den Mainstream-Empfehlungen keinen nennenswerten Beitrag zur Konsolidierung leisten, da diese in erster Linie durch Sparmaßnahmen erfolgen soll. 8
    These 4: Damit die großen Finanzvermögen in Österreich
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