Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Fünfen ist man kinderreich

Mit Fünfen ist man kinderreich

Titel: Mit Fünfen ist man kinderreich
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
hübschen Burschen, der zwar nicht viel redete, aber den Kopf voller Dummheiten hatte und Saschas Busenfreund wurde. Drei Häuser weiter wohnte Andreas, der über eine angeborene technische Begabung verfügte und einige Jahre später nicht nur die gesamte Nachbarschaft, sondern auch die Polizei zur Verzweiflung brachte, weil ihm ständig neue Spielereien einfielen, die auf irgendeiner technischen Grundlage beruhten. Ich lernte Wolfgang kennen, einen Schwaben reinsten Geblüts, mit dem ich mich erst nach etwa einem halben Jahr unterhalten konnte, weil ich ihn vorher einfach nicht verstand. Auch Eberhard gehörte zum späteren Freundeskreis, jener blonde Berliner, der nie versuchte, seine Herkunft zu verheimlichen und auch heute noch unverfälschten Dialekt spricht. »Soll ick mir valeicht diese Kindersprache anjewöhnen? Für mich is'n Haus ebent 'n Haus und keen Häusle!«
    Zwei Tage vor dem endgültigen Umzugstermin überraschte mich Wenzel-Berta mit einem Vorschlag, der ihrem segensreichen Wirken im Dienste der Familie die Krone aufsetzte:
    »Ich habe mir gedacht, und der Eugen meint auch, wir könnten doch ein paar Tage mit Ihnen kommen, weil da is doch bei so 'ner Umzieherei immer viel Arbeit, und ein bißchen Hilfe brauchen Sie doch. Schlafen können wir auf einer Matratze, weil das geht schon mal, wenigstens bis daß Sie alles weggeräumt haben und so.«
    Wer verleiht bei uns eigentlich Orden? Wenzel-Berta hätte wirklich einen verdient, viel eher jedenfalls als irgendein Schnapsfabrikant, dem man zum fünfzigsten Geburtstag so ein Blechding um den Hals hängt.
    Ja, und dann war es schließlich soweit, und es bot sich uns mal wieder der schon langsam vertraute Anblick: Der Möbelwagen keuchte die Steigung herauf, die Türen wurden aufgeklappt, und gewichtige Männer schleppten gewichtige Möbelstücke. Wie schon bei unserem Einzug stand nahezu die gesamte Dorfjugend herum, beteiligte sich am Transport kleinerer Gegenstände, letzte Tauschgeschäfte wurden abgewickelt, Papierfetzen mit Adressen wechselten die Besitzer, und dann war plötzlich Sascha verschwunden.
    Minuten später baute sich sein Freund Gerhard vor mir auf.
    »Hend Sie den Schlüssel zum Koffer?«
    »Zu welchem Koffer?«
    »Ha, zu dem großen weißen da.«
    Er meinte unseren Universalbehälter, der einst als Überseekoffer seine Dienste getan hatte.
    »Keine Ahnung, wo der Schlüssel ist, vermutlich in irgendeinem anderen Koffer. Wozu brauchst du ihn?«
    »Ha no, der Sascha isch drin.«
    »Wo drin?«
    »In der Kist'. Aber sie gangt nimmer uff!«
    »Waaas?«
    Ich raste in das schon ziemlich geleerte Wohnzimmer, in dem tatsächlich noch der bewußte Koffer stand, gefüllt mit Couchkissen, zwischen die ich ein paar ziemlich wertvolle Kristallgläser gebettet hatte. Dumpfe Geräusche aus dem Innern bestätigten mir immerhin, daß Sascha offensichtlich noch nicht erstickt war.
    Es ist mir noch heute ein Rätsel, wie sich die bis dato einwandfrei funktionierenden Schlösser verklemmt haben konnten, aber die Tatsache blieb: Der Koffer ging nicht auf. Rolf war nirgends zu sehen, Gerhard bohrte hilflos in der Nase, und ich hämmerte ebenso hilflos auf dem Deckel herum.
    Die Rettung erschien in Gestalt eines Möbelpackers. Er erfaßte die Situation, zog einen Schraubenzieher von der ungefähren Größe eines Kleiderbügels aus der Hosentasche und stemmte die Schlösser auf. Der Deckel öffnete sich, dem Koffer entstieg ein etwas verängstigter Sascha und hielt anklagend seine linke Hand empor.
    »Wer hat denn da was Gläsernes reingepackt? Ich habe mich ganz schön geschnitten!«
    Die schon zu diesem Zeitpunkt fällige und lediglich vergessene Ohrfeige handelte er sich eine halbe Stunde später ein, als er mitsamt dem Gummibaum die Treppe hinunterfiel. Ihm war nichts passiert, aber statt eines Gummibaums hatten wir jetzt deren zwei.
    Um die Mittagszeit war alles verladen, der Möbelwagen samt Steffi schaukelte davon und signalisierte den Dorfbewohnern freie Fahrt zum Abschiedsbesuch. Rolf war mit den Jungs schon vorausgefahren. Ich sollte mit den Zwillingen und Wenzels nachkommen, obwohl ich langsam bezweifelte, daß wir das jemals schaffen würden. Frau Kroiher kam und brachte Johannisbeeren mit, Frau Söhner kam und brachte Äpfel mit, Frau Fabrici kam und brachte grüne Bohnen mit, Ritas Mutter kam und brachte Eier mit… Man war wohl der Meinung, wir zögen in die Wüste oder nach Alaska.
    Den letzten Beweis von Anhänglichkeit lieferte Karlchen. Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher