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Miss Lonelyhearts

Miss Lonelyhearts

Titel: Miss Lonelyhearts
Autoren: Nathanael West
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Pictures und anderen Filmkonzernen, nahm zufrieden seine regelmäßigen Lohnschecks in Empfang, grämte sich nicht, dass er der Traumfabrik Schund abliefern musste – und studierte derweil eben den Traumbedarf, der Hollywood schrill und groß gemacht hatte. Es war der Stoff für seinen anderen vollendeten Roman, seinen vierten und letzten, Der Tag der Heuschrecke ( 1939 ).
    Wer weiß, was aus Nathanael West noch geworden wäre! Aber am 22 . Dezember 1940 , auf der Rückfahrt von einem Jagdausflug und auf dem Weg zur Bestattung seines Freundes F. Scott Fitzgerald, übersah er, seit eh und je ein zerstreuter Autofahrer, ein Stoppschild. Zusammen mit seiner Frau Eileen McKenney (als My Sister Eileen Heldin einer Serie populärer Geschichten und eines Bühnenstücks) starb er, erst siebenunddreißig Jahre alt, auf einer Straßenkreuzung bei El Centro in Südkalifornien, ehe noch eine Ambulanz eingetroffen war.
    Auf den ersten Blick scheint Miss Lonelyhearts ein nicht nur kurzer, sondern auch unkomplizierter Roman zu sein. Der Titel verspricht eine komisch-anrührende Geschichte aus dem Zeitungsmilieu, die Sprache ist streckenweise schlichtes Zeitungsenglisch, die Sätze sind kurz und konkret, die Beschreibungen äußerst knapp, abgesehen von einigen satirischen Tiraden fehlen langatmige Reflexionen ebenso wie jedes lyrisch-stimmungsvolle Beiwerk, formale Exerzitien finden nicht statt, literatur- oder kulturhistorische Kenntnisse braucht der Leser kaum. Im Buch wird mit geläufiger Hand ein zur damaligen Zeit gerade ungeheuer populär gewordenes Genre des modernen Boulevardjournalismus variiert und parodiert: die regelmäßig erscheinende Ratgeberkolumne, in der noch die banalsten Alltagsprobleme und Wehwehchen einzelner so verhandelt werden, als wären es die brennenden Themen der Zeit. Je mehr es darin menschelte, desto erfolgreicher waren die Serien. Ob die Verfasser nun männlich oder weiblich waren, Hauptsache, die Leserschaft glaubte an die Fiktion der vertrauenswürdigen Kummerkastentante.
    Als Urmutter aller Kummerkastentanten gilt in Amerika übrigens «Beatrice Fairfax» vom New York Evening Journal . Hinter dem Pseudonym – «Beatrice», weil die Verfasserin Dante gelesen hatte, «Fairfax», weil ihre Familie im Bezirk Fairfax in Virginia ein Haus hatte – verbarg sich die gewitzte Journalistin Marie Manning ( 1872 – 1945 ), deren Ratgeberkolumne den Titel Dear Beatrice Fairfax ( Liebe Beatrice Fairfax ) trug. Die Kolumne war auf Anhieb so erfolgreich, dass pro Tag bis zu 1400 Briefe eintrafen und die Redaktion einen Abholdienst zum Postamt einrichten musste. Manning fühlte sich von der Masse überwältigt, fand, dass sie zu wenig Anerkennung und Honorar bekomme und kündigte den Job, der von anderen unter dem gleichen Pseudonym fortgeführt und in Hunderten von Zeitungen mitgedruckt wurde. Die bekannteste Nachfolgerin war die von einem Frauenkollektiv geschriebene Ask Ann Landers ( Fragen Sie Ann Landers , 1943 – 2002 ).
    Marie Manning scheinen die Probleme ihrer Klientel selber nicht groß bedrückt zu haben, sie ging bemerkenswert hemdsärmelig-pragmatisch mit ihnen um. Ein Beispiel:
    An Miss Beatrice Fairfax.
    Liebe Madam! Ich bin eine junge Dame, die sehr in einen jungen Mann verliebt ist, der im Augenblick als Soldat im Ersten Regiment, Kompagnie K, in San Francisco dient. Vor seiner Abreise gab er vor, dass ihm an mir etwas liege, und versprach, mir zu schreiben. Dies Versprechen hat er nie gehalten, und als er weg war, habe ich herausgefunden, dass er während unserer gemeinsamen Zeit auch noch mit einer anderen ging. Ich möchte Sie um Rat bitten, was ich tun soll. Ihm schreiben und ihm sagen, was ich von ihm halte, oder ihn mir für alle Zeit aus dem Kopf schlagen?
    SITZENGELASSEN , Poughkeepsie.
    Die Antwort:
    Meine Liebe!
    Um einen Brief zu schreiben, braucht es einige Geistesanstrengung. Um ihn abzuschicken, braucht es eine Zwei-Cent-Briefmarke. Glauben Sie mir, Ihr wankelmütiger Soldat ist beiderlei Unkosten nicht wert. Schlagen Sie ihn sich aus dem Kopf, ohne seiner Eitelkeit auch noch mit Vorwürfen zu schmeicheln.
    Ihre Beatrice Fairfax.
    Skrupel wie die von Wests «Miss Lonelyhearts» scheinen einer Marie Manning fremd gewesen zu sein. Allerdings sah Wests Protagonist sich auch mit wesentlich hoffnungsloseren Fällen konfrontiert, Fällen, auf die einer bestenfalls mit nutzlosen hohlen Sprüchen reagieren konnte.
    Man könnte meinen, West habe für seine Romanfiktion einfach bei real
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