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Mio, mein Mio

Mio, mein Mio

Titel: Mio, mein Mio
Autoren: Astrid Lindgren
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konnte es nicht lassen, froh darüber zu sein, daß ich im Freien schlafen durfte. Als wir zu dem Hügel kamen bei jener Weide, die sich über den Bach neigt, hielten wir an, und Nonno sagte, wir wollten hier unser Lager für die Nacht aufschlagen.
    Und das taten wir. Wir zündeten ein Feuer an, ein großes, warmes, herrliches Feuer. Wir setzten uns um das Feuer und aßen von dem Brot, das Hunger stillt, und tranken von dem Wasser aus der Quelle, die Durst löscht.
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    Der Tau fiel, und die Dunkelheit kam, aber das machte nichts, denn am Feuer war es warm und hell. Wir wickelten die Mäntel um uns und legten uns dicht ans Feuer, und um uns her schliefen die Schafe und Lämmer, und Miramis graste in der Nähe. Wir lagen da und hörten den Wind durch das Gras gehen und sahen Feuer, die in der Ferne angezündet wurden. Viele, viele Feuer leuchteten durch die Nacht, denn es gab viele, viele Hirten auf der Insel der grünen Wiesen. Und aus der Dunkelheit hörten wir jene alte Melodie, von der Nonno gesagt hatte, daß die Hirten sie schon vor tausend und abertausend Jahren gespielt hätten. Ja, wir lagen da und sahen die Feuer und hörten die alte Melodie. Sie kam zu uns von einem Hirten, den wir nicht kannten, aber er spielte für uns durch die Nacht. Und es war, als ob diese Melodie gerade von mir etwas Besonderes wollte.
    Am Himmel leuchteten die Sterne so groß und hell, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Ich lag im Gras und sah sie an. Ich drehte mich auf den Rücken und hatte es warm in meinem roten Mantel und sah die Sterne an. Ich mußte daran denken, daß wir für das Gras musiziert hatten und für die Blumen und die Winde und die 49
    Bäume, und Nonno hatte gesagt, sie hätten es gern. Aber wir hatten nicht für die Sterne gespielt. Kümmern sich die Sterne darum, wenn man für sie Musik macht?
    »Wenn ich das nur wüßte! Ich fragte Nonno, und er sagte, er glaube es. Und wir setzten uns auf, holten unsere Flöten hervor und spielten auch den Sternen noch ein kleines Lied.
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    Der Brunnen, der am Abend raunt

    Das Land auf der anderen Seite des Wassers und hinter den Bergen hatte ich noch nicht gesehen. Aber als ich eines Tages mit meinem Vater, dem König, im
    Rosengarten spazierenging, fragte ich ihn, ob ich über die Brücke des Morgenlichts reiten dürfe. Mein Vater, der König, blieb stehen und nahm mein Gesicht zwischen seine beiden Hände. Er sah mich an, sehr freundlich und sehr ernst.
    »Mio, mein Mio«, sagte er, »du darfst in meinem Reich überall hingehen, wohin du willst. Du darfst auf der Insel der grünen Wiesen spielen oder in das Land auf der anderen Seite des Wassers und hinter den Bergen reiten, ganz wie du willst. Du darfst reiten, so weit dich Miramis trägt, nach Osten und Westen und Süden und Norden.
    Nur eines mußt du wissen: Es gibt etwas, das heißt das Land Außerhalb.«
    »Das Land Außerhalb?« fragte ich. »Wer wohnt dort?«
    »Ritter Kato«, sagte mein Vater, der König, und es legte sich wie ein Schatten über sein Gesicht, »der grausame Ritter Kato.«
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    Kaum hatte er diesen Namen ausgesprochen, da war es, als zöge etwas Böses und Gefährliches durch den Rosengarten.
    Die weißen Vögel flohen in ihre Nester. Trauervogel schrie gellend und schlug mit seinen großen schwarzen Schwingen. Und zu dieser Stunde verwelkten viele Rosen.
    »Mio, mein Mio«, sagte mein Vater, der König, »du bist das Liebste, was ich habe, und das Herz wird mir schwer, wenn ich an Ritter Kato denke.« Da brauste es in den Silberpappeln, als ginge ein Sturm über sie hinweg. Viele Blätter fielen zu Boden, und während sie fielen, war es, als weine jemand. Ich hatte Angst vor Ritter Kato, große, große Angst. Aber ich sagte zu meinem Vater, dem König: »Wenn dir das Herz schwer wird, dann denk nicht mehr an ihn.«
    Mein Vater, der König, nickte und nahm meine Hand.
    »Du hast recht«, sagte er. »Eine kurze Zeit noch will ich es lassen, an Ritter Kato zu denken. Eine kurze Zeit noch sollst du Flöte spielen und im Rosengarten Hütten bauen.«
    Dann gingen wir weiter, um Jum-Jum zu suchen. Mein 52
    Vater, der König, hatte zwar viel zu regieren in seinem großen Reich, aber für mich hatte er immer Zeit. Er sagte nie zu mir: »Scher dich weg, ich habe jetzt keine Zeit«,
    sondern er war gern mit mir zusammen. Jeden Morgen ging er mit mir in den Rosengarten. Er zeigte mir, wo die Vögel ihre Nester gebaut hatten, und sah sich unsere Hütte an und lehrte mich, wie ich auf Miramis reiten sollte,
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