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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc
Autoren: SF-Online
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und Laken auch in die Wanne und ließ kaltes Wasser einlaufen. Blut darf man nur mit kaltem Wasser auswaschen, habe ich gelernt.
    Es war kurz vor neun, als ich mich daranmachte, die
    Blutflecken auf dem Boden wegzuwischen.
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    Unwillig klagst du und willst nicht einsehen, dass bei allem, was du beklagst, nur eines von Übel ist : dein Unwillen und deine Klagen. Nur ein Unglück gibt es für einen Mann, nämlich dass es Dinge in seinem Leben gibt, die er als Unglück ansieht.
    Seneca, EPISTOLAE MORALES

2
    Ich fühlte mich nicht gut, als ich in einen kühlen, sonnigen Samstagmorgen hinaustrat. Es gab keine Garantie dafür, dass sich das, was in meinen Eingeweiden passiert war, nicht mitten auf der Straße wiederholen würde. Zwar würde man mich in dem Fall finden und wahrscheinlich dorthin bringen, wo ich ohnedies hinwollte, zu Dr O'Shea namlich, aber ich würde Aufsehen erregen. Und wenn ich das gewollt hätte, hatte ich Reilly auch gleich anrufen können. So achtete ich mehr auf das steife Gefühl in meinen Beinen und das verhaltene Pochen der Bauchwunde als auf das Wetter. Ein kraftiger, salzig
    schmeckender Wind wehte und blähte die weite Jacke und das übergroße Hemd, unter denen ich meine auffallende Statur zu verbergen pflege. Mein künstliches Auge tränte. Das tut es manchmal.
    Der Ort, in dem ich seit über zehn Jahren lebe, heißt Dingle, ein kleiner Fischereihafen, auf der gleichnamigen Halbinsel im Südwesten Irlands gelegen. Das Städtchen ist gerade groß genug, dass man als Einwohner hingenommen wird, ohne dass jeder wissen muss, wie man heißt und woher man kommt, und andererseits nicht groß genug, als dass es von alleine
    lrgendjemandes Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Es
    findet ein wenig Tourismus statt, aber die meisten Leute leben tatsächlich noch vom Fischfang. Dass sonst nicht viel passiert, 19
    mag man daran erkennen, dass das große Ereignis in der jüngeren Geschichte Dingles nach wie vor ist, dass hier der Film Ryans Daughter gedreht wurde, immerhin mit Paul Newman in der Hauptrolle, allerdings vor über dreißig Jahren: Ein Film, den ich nie gesehen habe, aber nach meiner
    zugegebenermaßen eingeschränkten Kenntnis hiesiger Pubs
    dürfte schätzungsweise in jedem dritten davon das Filmplakat hängen und eine Hand voll Szenenfotos dazu. Und es gibt eine Unmenge Pubs in Dingle.
    Ich ging langsam und hatte beim Gehen immer noch das
    Gefühl, dass meine Beinmuskulatur gegen einen inneren
    Widerstand arbeiten musste. Was wahrscheinlich auch der Fall war, wenn ich daran denke, was alles darin eingebaut ist und sich nicht selten so anfühlt, als roste es längst einfach nur noch vor sich hin. Als ich den Kreisverkehr erreichte, ließ meine Besorgtheit ein wenig nach, vielleicht weil mich auch nach über zehn Jahren in diesem Land der Anblick links fahrender Autos mit Lenkrädern auf der falschen Seite des Wagens
    immer noch irritiert. Ich überquerte die diversen Überwege und wählte den Weg die Mall hoch, deren auffallendste Einrichtung eine Kreuzigungsszene aus schreiend bunt bemalten,
    überlebensgroßen Figuren ist; ein riesiger Christus quält sich an einem riesigen Kreuz, betrauert von zwei Frauengestalten in Babyhellblau und Zitronengelb, die unter ihm stehen und die Hände ringen.
    Die grundsätzliche Bereitschaft der Iren, Dinge knallbunt zu streichen, äußert sich in der Main Street in jenem malerischen Nebeneinander verschiedenfarbiger Häuserfassaden, das man in irischen Siedlungen häufig findet und das sich auf
    Abbildungen in Reiseführern und auf Postkarten so gut macht.
    Ein strohgelber Pub neben einer dunkelgrünen Bankfiliale, ein Wohnhaus, schneeweiß mit dunkelblauen Einfassungen und
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    Türen – das sind Motive, bei denen Touristen die Kamera wie von selbst vor das Auge springt. Wenn man jedoch länger in diesem Land lebt, merkt man, dass diese Buntheit
    lebensnotwendig ist. Dass man sie braucht, um trübe
    Wintermonate und das oft wochenlang anhaltende Nieselwetter ohne seelische Schäden zu überstehen.
    Weil es auf dem Weg lag und weil ich noch Zeit hatte und weil ich es mir ohnehin nicht erlauben durfte, die
    Öffnungszeiten zu verpassen, war meine erste Station die Post.
    »Ah, Mister Fitzgerald«, begrüßte mich Billy Trant, ein
    eifriger, grobknochiger Junge mit buschigen, aschblonden Haaren und den kariösesten Zähnen, die ich je im Leben
    gesehen habe. »Ihr Paket ist da.« Er fuchtelte atemlos mit den Händen, als habe er den ganzen Morgen nur
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