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Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum

Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum

Titel: Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
Autoren: Christoph von Marschall
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sondern das Urteil über sie.
    Welche der Rollen, die sie als First Lady ausfüllt, sind Fassade und welche drücken ihr Inneres aus? Ihr überraschender Erfolg bei den weißen Bürgern Amerikas lässt sich direkt auf ihre Kindheit in einem schwarzen Arbeiterviertel Chicagos zurückführen. Doch bevor wir ihr Elternhaus und ihre Schulzeit erkunden, müssen wir uns vergewissern, woher das Wissen über Michelles Leben eigentlich stammt. Die Illustrierten, Zeitungen und Fernsehsendungen sind voll von Geschichten über Michelle. Stimmen sie auch?
Grenzen des Zugangs
    «Ich bin bereit, jeden durch mein Leben zu führen», sagte Michelle der «New York Times» vom 18. Juni 2008. «Come on, let’s go.»
    Wissenslücken über Michelle Obama? Das klingt wie ein schlechter Scherz. Die First Lady ist omnipräsent in den Medien. Sie gibt oft und gern über sich Auskunft, von ihrer Kindheit bis zum Leben im Weißen Haus. Es kursieren vielfältige Bilder von ihr: bei Auftritten in Schulen und Gesundheitszentren, von Begegnungen mit Soldatenfamilien, von Festen und Konzerten im Weißen Haus, nicht zu vergessen Michelle mit ihren Töchtern oder Hund Bo. Das festigt den allgemeinen Eindruck einer transparenten Amtsführung der First Lady.
    Und doch fehlen grundlegende Informationen über sie und ihre Familie in den Lebensläufen und Biografien, die im Internet, aber auch auf gedrucktem Papier üppig wuchern, seit Michelle zu einem politischen Star geworden ist. Um nur drei von vielen Beispielen zu nennen: der Geburtstag ihrer Mutter, das Datum, an dem ihre Eltern heirateten, und der Todestag ihres Vaters. Das Weiße Haus hilft da mit Auskünften nicht weiter: Diese Informationen seien «not available», nicht zugänglich, heißt es. Dabei hatte Michelle im Wahlkampf mehrfach auf anrührende Weise davon gesprochen, welch tiefen Einschnitt der Tod ihres Vaters für sie bedeutete. Diese Erfahrung habe sie sogar zu einem Karrierewechsel bewegt. Doch lange fehlte die Angabe, wann Fraser Robinson überhaupt gestorben sei. Es war der 6. März 1991, wie Nachforschungen in der Chicagoer Stadtverwaltung ergeben. Wer sich bemüht, kann dort eine Kopie des Totenscheins bekommen – und ebenso eine Kopie der Heiratsurkunde von Michelles Eltern. Sie schlossen ihre Ehe am 30. Oktober 1960. Ihre genauen Geburtsdaten stehen nicht in dem Dokument, nur ihr Alter an diesem Tag. So ist es in den USA üblich. Fraser Robinson war 25, seine Braut Marian Shields 23. Ihr Vorname wird in den städtischen Archiven fälschlich «Marion» geschrieben. Wer hartnäckig genug nachfragt, kann in Chicago auch Marians Geburtstag erfahren, aus anderen Quellen: 29. Juli 1937. Auch diese Information war bis zum Sommer 2009 in den USA nicht bekannt. Das Land führt kein Einwohnermelderegister wie Deutschland. Es gehört zu den Besonderheiten des amerikanischen Datenschutzrechts, dass Angaben über die Geburt oder die Religion eines lebenden Bürgers nicht ohne dessen Einverständnis von offiziellen Stellen herausgegeben werden dürfen. Erst in der Sterbeurkunde steht dann das Geburtsdatum.
    Dank der Nachforschungen in den Stadtbehörden gelang es auch, der bislang anonymen «Tante», in deren Haus Michelle aufgewachsen war, einen Namen zuzuordnen: Sie hieß Robbie Terry. Bis zu diesem Zeitpunkt war lediglich bekannt, dass die Familie Robinson bei jenen Verwandten seit Mitte der sechziger Jahre im Obergeschoss zur Miete gewohnt hatte und dass die Tante Michelle das Klavierspiel beibrachte.
    Der Weg, auf dem man zu solchen Informationen gelangt, unterscheidet sich von den üblichen Recherchewegen in Deutschland. In den USA herrscht ein anderes Verständnis darüber, welche Informationen als öffentlich und welche als privat gelten. Angaben zu den Eigentumsverhältnissen an Immobilien sind allgemein einsehbar. Das geht so weit, dass unbeteiligte Personen sogar herausfinden können, welche Hypothek auf einem Haus oder Grundstück lastet.
    Der Ausgangspunkt war also die Adresse des Hauses, in dem Michelle aufgewachsen war: 7436 South Euclid Avenue, Chicago, im Stadtteil South Shore. Das öffnete den Zugang zur Geschichte der Eigentumsverhältnisse in den Grundbüchern. Robbie S.Terry und ihr Mann William V.Terry hatten das Haus am 9. März 1965 von Marvin L. Kayne und Sybil Eileen Kayne gekauft. Die Vornamen der Vorbesitzer deuten darauf hin, dass sie Weiße waren. Das würde zum generellen Strukturwandel des Viertels passen: Es wandelte sich in den 60er Jahren von einer fast
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