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Metro2033

Titel: Metro2033
Autoren: Unbekannt
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furchtbar. Er ist zur Metro gelaufen, und dann habe ich lautes Hämmern gehört. Wahrscheinlich hat er dort angeklopft. Dann war alles still. Morgen gehe ich hin und schaue nach, ob sie ihm aufgemacht haben.«
    Wieder erschütterte ein Schlag den Kiosk - das Ungeheuer ließ von seiner Beute nicht ab. Artjom schwankte und wäre beinahe auf die Leiche der Frau gefallen, doch im letzten Moment hielt er sich an dem kleinen Tischchen unter dem Fenster fest. Er duckte sich und wartete eine Minute ab, dann las er weiter.
    »12. Juli. Ich kann nicht raus. Ich zittere, weiß nicht, ob ich schlafe oder wache. Habe eine Stunde mit Ljowa gesprochen, er hat gesagt, dass er mich bald heiratet. Dann kam Mama. Die Augen waren ihr ausgelaufen. Dann war ich wieder allein. Ich bin so einsam. Wann hört das alles auf, wann retten sie uns? Hunde sind da, sie fressen die Leichen. Endlich, danke. Habe mich wieder übergeben.
    13. Juli. Es gibt noch Konserven, Schokolade und Wasser, aber ich will nicht mehr. Bis das Leben wieder normal wird, dauert es noch mindestens ein Jahr. Der Vaterländische Krieg hat fünf Jahre gedauert, länger geht es nicht. Alles wird gut. Sie werden mich finden.
    14. Juli. Ich will nicht mehr. Ich will nicht mehr. Begrabt mich anständig, ich will nicht in diesem verfluchten Eisenkasten ...Es ist eng. Danke, Phenazepam. Gute Nacht.«
    Die Schrift ging noch weiter, doch waren die Sätze immer häufiger zusammenhanglos oder abgerissen. Und Zeichnungen: kleine Teufelchen, Mädchen in großen Hüten oder mit Schleifen im Haar, menschliche Gesichter.
    Sie hatte tatsächlich gehofft, dass der Albtraum ein Ende nehmen würde. Ein Jahr, vielleicht zwei, und alles würde wieder gut, so wie früher. Das Leben würde weitergehen, alle würden vergessen, was passiert war. Wie viele Jahre waren seither vergangen? In dieser Zeit hatte sich die Menschheit nur noch weiter von ihrem Ziel entfernt, an die Oberfläche zurückzukehren. Ob die junge Frau jemals daran gedacht hatte, dass nur diejenigen überleben würden, die es in die Metro geschafft hatten, und dann noch die wenigen Glückspilze, denen man in den darauffolgenden Tagen, allen Instruktionen zum Trotz, die Türen geöffnet hatte?
    Auch Artjom wollte daran glauben, dass die Menschen eines Tages aus der Metro herauskommen würden, um wieder so zu leben wie früher. Um die herrlichen Gebäude, die ihre Vorfahren errichtet hatten, wieder aufzubauen. Um darin zu wohnen. Um die aufgehende Sonne betrachten zu können, ohne die Augen zusammenzukneifen. Um nicht durch irgendwelche Filter eine geschmacklose Mischung aus Sauerstoff und Stickstoff einzuatmen, sondern die reine Luft zu genießen, gesättigt mit dem Duft von Pflanzen ... Er wusste gar nicht, wie die früher gerochen hatten, aber es musste herrlich gewesen sein, besonders die Blumen, die seine Mutter gemocht hatte.
    Doch während er die ausgetrocknete Leiche der jungen Frau betrachtete, fragte er sich, ob er selbst überhaupt so lange durchhalten würde. Worin unterschied sich seine Hoffnung von der Gewissheit dieser Frau? In all den Jahren seiner Existenz in der Metro war der Mensch mitnichten so weit erstarkt, um im Triumph wieder nach oben zurückzukehren, auf dem Weg zu neuem Ruhm und neuer Herrlichkeit. Im Gegenteil: Er war nur noch kleiner geworden und hatte sich an Dunkelheit und Enge gewöhnt. Die Mehrheit hatte die einst absolute Macht des Menschen über die Welt bereits vergessen - was nützte sie ihnen noch? -, während andere sich danach sehnten und Dritte sie verfluchten. Wem von ihnen gehörte die Zukunft?
    Plötzlich hörte Artjom draußen ein Hupen. Er stürzte ans Fenster. Auf der kleinen Fläche vor den Kiosken hielt ein äußerst ungewöhnliches Fahrzeug. Artjom hatte schon früher Autos gesehen: zuerst in der fernen Kindheit, dann auf Bildern und Fotos in Büchern und schließlich bei seinem letzten Aufenthalt an der Oberfläche. Doch keines davon hatte so ausgesehen.
    Es war ein riesiger, sechsachsiger Lastwagen in roter Farbe mit weißem Streifen an der Seite. Die große Fahrerkabine hatte zwei Sitzreihen, und dahinter befand sich ein metallischer Kasten als Laderaum. Über das Dach ragten seltsame Rohre heraus, und daneben drehten sich links und rechts zwei blaue Lampen und blinkten.
    Artjom verließ den Kiosk nicht, sondern leuchtete zuerst mit der Taschenlampe durch die Fensterscheibe und wartete auf das Antwortsignal. Die Scheinwerfer des Wagens leuchteten mehrmals auf und erloschen wieder.
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