Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Merlin - Wie alles begann

Merlin - Wie alles begann

Titel: Merlin - Wie alles begann
Autoren: Thomas A. Barron
Vom Netzwerk:
beschützen kann, dann nur, weil dazu nichts
     außerhalb des Himmels fähig ist.«
    »Du hast mich beschützt. Du hast ein gutes Nest gebaut.«
    »Vielleicht, für eine Weile. Aber jetzt . . .« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Jetzt musst du fliegen.«
    »Ja. Jetzt muss ich fliegen.«
    Sanft berührte sie meine Wange.
    Ich drehte mich um und ging hinaus, meine Schritte hallten den steinernen Flur entlang.

X
DIE ALTE EICHE
    I ch trat durch die holzgeschnitzten Tore des Klosters von Sankt Peter in den Lärm und Trubel von Caer Myrddin. Es dauerte einige
     Zeit, bis ich meine schwache Sehkraft auf all das Durcheinander eingestellt hatte. Wagen und Pferde klapperten über die Steinstraßen,
     Esel, Schweine, Schafe und ein paar langhaarige Hunde waren unterwegs. Händler priesen schreiend ihre Waren an, Bettler griffen
     nach den Gewändern der Passanten, Schaulustige sammelten sich um einen Mann, der mit Bällen jonglierte, und Leute aller Art
     gingen vorbei mit Körben, Bündeln, frischem Gemüse und Tuchballen.
    Ich schaute über die Schulter zum Weißdorn, dessen Äste ich über der Klostermauer kaum erkannt hatte. Trotz aller Qualen,
     die ich an diesem Ort ausgestanden hatte, würde ich die Stille unserer Zelle, die getragenen Gesänge der Nonnen, die Vögel
     in den Zweigen dieses Baums vermissen. Und mehr als ich je geahnt hatte, würde mir Branwen fehlen.
    Während ich die verschwommenen Umrisse von Menschen, Tieren und Waren beobachtete, bemerkte ich eine Bildsäule auf der anderen
     Straßenseite. Neugierig wollte ich näher heran, obwohl das bedeutete, den rasch strömenden Verkehrsfluss zu durchqueren. Ich
     biss mir auf die Lippe und ging los.
    Sofort wurde ich gestoßen und getreten, angerempeltund weitergeschoben. Weil ich nicht gut genug sehen konnte, um auszuweichen, prallte ich gegen einen Mann, der Feuerholz trug.
     Scheite flogen in alle Richtungen, Flüche schallten mir um die Ohren. Dann lief ich einem Pferd direkt in die Flanke. Sekunden
     später trennte mir ein Wagenrad beinah die Zehen ab. Doch schließlich war ich drüben und stand vor der Bildsäule.
    Es war keine großartige Skulptur, nur ein Falke, aus Stein gehauen, über einer Schüssel mit schmutzigem Wasser. Wer immer
     sich darum kümmern sollte, hatte es schon seit Jahren nicht mehr getan. Die Flügel des Falken waren abgebrochen. Die Steine
     des Sockels zerfielen. Wahrscheinlich achtete nur eine Hand voll der Leute darauf, die täglich vorübergingen.
    Aber etwas an dieser alten, vergessenen Bildsäule faszinierte mich. Ich ging näher heran und berührte den verwitterten Schnabel
     des Falken. Durch Branwens Beschreibungen wusste ich genug, um anzunehmen, dass die Figur vermutlich zu Ehren Myrddins aufgestellt
     worden war, einem der Götter, die von den alten Kelten am meisten verehrt wurden. Manchmal nahm er die Gestalt eines Falken
     an. Er war einer ihrer Apollos, wie Branwen sagen würde. Obwohl ich nicht ganz ihren Glauben teilen konnte, dass solche Geister
     immer noch durchs Land zogen, musste ich wieder an den Hirsch und den Keiler denken, die vor so langer Zeit unseretwegen gekämpft
     hatten. Wenn sie tatsächlich Dagda und Rhita Gawr waren, konnte dann nicht möglicherweise auch der Geist von Myrddin noch
     leben?
    Ein Esel, mit Säcken schwer beladen, stieß mich um. Ich fiel gegen die Bildsäule und tauchte mit der Hand in dasschmutzige Wasser. Als ich aufstand und die Hand trockenschüttelte, versuchte ich mir vorzustellen, wie Caer Myrddin vor Jahrhunderten
     ausgesehen haben mochte. Branwen hatte mir erzählt, dass es keine belebte Stadt gewesen war, sondern ein friedlicher Hügel
     mit einer Quelle, an der wandernde Schäfer rasten konnten. Mit der Zeit wurde ein Handelszentrum daraus, in dem Erzeugnisse
     der Bauern von Gwynedd, aber auch aus so fernen Gegenden wie Gwent, Brycheiniog und Powys Fadog verkauft wurden. Als die Römer
     kamen, bauten sie eine Festung an den hohen Ufern des Tywy. Und jetzt verbanden die alten Militärstraßen wie die in Caer Vedwyd
     die Stadt mit den fruchtbaren Tälern und wildreichen Wäldern des Nordens und flussabwärts mit dem Meer. Ob sich heute jemand
     die Zeit nahm, an solche Dinge zu denken oder nicht, die bröckelnde Skulptur – und der Name der Stadt – verknüpften Caer Myrddin
     immer noch mit seiner fernen Vergangenheit.
    Genau das, erkannte ich, war der Zweck meiner eigenen Reise: mich mit der Vergangenheit zu verbinden. Meinen Namen zu finden.
     Mein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher