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Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Titel: Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
Autoren: Marlies Lüer
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war ohne Weib, ohne Kind. Einsam und bitter war sein Leben im Schloss. Sein einziger Trost war der Garten gewesen, den seine Fürstin im Jahr bevor sie im Kindbett starb, angelegt hatte. Damals, als er noch lachen konnte. Damals, als sein Leben noch Sinn und Ziel hatte. Doch selbst der Garten verlor mit der Zeit seinen Reiz, und er verkümmerte ohne Pflege, denn der Fürst hatte allen verboten, ihn zu betreten und er trug den Schlüssel immer bei sich.
    Sein Volk klagte und jammerte. Sie sprachen heimlich zueinander, der Fürst trage die Schuld am Elend allenthalben, denn seit Jahren blase er Trübsal. Immer größer wurde die Unzufriedenheit, immer lauter knurrten die leeren Mägen, so dass es klang, als lebten keine Menschen, sondern brummige Bären im Land. Eines Tages wurde ihre Wut so groß, ihre Verzweiflung so übermächtig, dass sie sich zusammenrotteten und am Schlosstor lauthals Einlass begehrten.
    „ Der Fürst soll zu uns sprechen und sich nicht länger hinter schwarzen Fenstern verbergen! Er muss uns helfen, oder wir jagen ihn davon!“ Männer und Frauen drohten mit emporgereckten Heugabeln, Messern und Knüppeln und schrien gar laut. Alle Vögel im Umkreis des Schlosses flogen erschrocken auf und flatterten auf und davon.
    Der Hauptmann der Wache eilte zum Kanzler und erstattete Bericht. Dieser rief nach dem Hofmagier und zu dritt eilten sie in den Thronsaal und verneigten sich tief vor ihrem Fürsten. „Herr, vergib uns die Störung, aber das Volk steht lärmend vor dem Tor und verlangt nach Euch.“
    Der Fürst, dessen Augen so finster umschattet waren wie die großen Fenster von verstaubten, schwarzen Vorhängen verdunkelt, blickte auf und starrte den Kanzler, den Hofmagier und seinen Hauptmann verständnislos an. „Was will das Volk von mir? Es soll mich nicht in meiner Trauer stören. Weiß es nicht, dass seine geliebte Fürstin zu den Ahnen gegangen ist?“. „Herr“, so sprach der Kanzler, „gewiss teilen die einfachen Menschen Eures Landes die Trauer in Eurem gebrochenen Herzen. Doch sie hungern und darben auch. Das Glück hat dieses Land vor acht Jahren mit der Fürstin verlassen, und die Not wird größer und größer. Sie brauchen Eure Hilfe!“ Der Fürst dachte kurz nach. Dann schloss er ermattet seine Augen und sprach: „Ich kann mir nicht mal selbst helfen.“ Dann hüllte er sich in Schweigen.
    Kanzler, Magier und Hauptmann verneigten sich vor ihrem Herrscher und verließen rückwärtsgehend den Raum. „Was sollen wir nur tun“, sprach der Kanzler und rang verzweifelt die Hände. Der Hofmagier, ein spindeldürrer alter Mann mit buschigen, eisengrauen Augenbrauen und schmalen Lippen, machte ein grimmiges Gesicht. „Ich weiß, was zu tun ist“, sprach er leise. „Hauptmann, dafür brauche ich Eure Hilfe.“ „Was habt Ihr vor, Magier?“ fragten Kanzler und Hauptmann wie aus einem Munde. Doch der Alte schwieg und lächelte auf so finstere Weise, dass dem Kanzler angst und bange wurde. Der Hauptmann der Wache aber war ein mutigerer Mann. Mit ruhiger Stimme sagte er: „Was Ihr auch vorhabt, Magier, wenn es dem Volke zum Wohle gereicht, bin ich Euer Mann. Befehlt, und ich werde gehorchen.“
    Und so kam es, dass am nächsten Morgen, noch vor Sonnenaufgang, an der Spitze eines bis an die Zähne bewaffneten Reitertrupps, der alte Magier und der junge Hauptmann einträchtig nebeneinander ritten. Der Magier auf einem nachtschwarzen Rappen, der Hauptmann auf einem großen Braunen. Drei Tage und drei Nächte ritten sie bergauf und bergab, überquerten den großen Fluss und schlugen sich durch wilden Wald, bis sie ins Land der Sonnenprinzessin gelangten.
    Als sie sich dem Schloss näherten, auf dessen Zinnen fröhlich die gelben und himmelblauen Fahnen im Wind flatterten und knatterten, warf der Hofmagier einen Verberge-Zauber über die kleine Streitmacht, so dass sie ungesehen und unbehelligt bis an die Mauern des Schlosses gelangten. Das Burgtor stand weit offen, die Zugbrücke war herabgelassen. Der Hauptmann wählte nun leise die drei geschicktesten Soldaten aus, um die Prinzessin zu rauben. Denn das war die Absicht des bösen Zauberers. Der alte Hagestolz übernahm die Führung und leise, leise schlichen sie über den Burghof in das Schloss und huschten durch die verwinkelten Gänge. Es dauerte nicht lang, da hatten sie das Gemach der kleinen Prinzessin gefunden. Eine Sonne war kunstvoll in das Holz der Tür geschnitzt. Sie stahlen das Kind bei Beginn der Morgendämmerung aus
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