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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita
Autoren: Michail Bulgakow
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aufgefasst werden. Andererseits aber auch damit, dass seine künstlerische Qualität und Wahrhaftigkeit derart hoch sind, dass jede innere Unstimmigkeit, gemessen daran, als unbedeutend und nichtig erscheint.
    Und dennoch ist und bleibt »Meister und Margarita« ein unlektoriertes Werk. Nach dem Tod Bulgakows musste es sechsundzwanzig Jahre auf seine Publikation warten. Als es schließlich veröffentlicht wurde, kämpfte die Intelligenzia lange Zeit erst einmal um eine unzensierte Ausgabe. Wer hätte es da – unter diesen Umständen – und nach so langer Zeit – lektorieren können? Wer wäre dazu überhaupt berechtigt? – Gewiss die Witwe, Jelena Bulgakowa, doch für sie galt die Textarbeit als abgeschlossen.
    Der Buchstabe und der Geist
    Nun gut, habent sua fata libelli.
    Wie aber soll sich ein Übersetzer in der entstandenen Situation verhalten? Wie soll er mit den sprachlichen Missgeschicken des Romans umgehen? – Es ist ein altes und schwer zu lösendes Problem. Lässt er sie stehen, riskiert er womöglich, dass sie ihm und nicht dem Autor zugeschrieben werden. Korrigiert er sie, wird er der Hybris und des Verrats am ursprünglichen Text bezichtigt. In letzter Zeit werden gerade jene Übertragungen besonders gelobt, die auch die Makel des Originals zu übernehmen riskieren. Schließlich gehe es dabei um Werktreue.
    Was aber ist mit der Werktreue tatsächlich gemeint und wem gilt sie eigentlich? Zwei Antworten wären prinzipiell denkbar: Dem Text des Werks oder dem Geist des Werks. Diese Positionen sind nicht unvereinbar und schließen sich gegenseitig nicht aus. Denn wer sich für den Geist des Werks entscheidet (und der Übersetzer der vorliegenden Ausgabe tut dies!), erkennt trotzdem die hohe Bedeutung des Textes an, weil er sich nur mithilfe des Textes dem Geist des Werks zu nähern vermag. Aber Stil-, Bezugs- und Ausdrucksfehler entsprechen gewiss nicht dem Geist des Werks, sondern resultieren aus der Krankheit des Autors und wären von ihm korrigiert worden, hätte er sie nur bemerkt. Sie ins Deutsche mit einfließen zu lassen, würde bestenfalls jenen genügen, die grundsätzlich alles Authentische höher als alles Artifizielle bewerten – dem glänzenden Stilisten Bulgakow wohl kaum.
    Natürlich will und kann der Übersetzer Bulgakows Meisterwerk nicht »verbessern«. Doch sieht er im Prozess des Übertragens selbst, bei welchem er ja ohnehin nach sinn- und geistesverwandten Formulierungen sucht, eine Möglichkeit, den im Fall der Publikationsgeschichte dieses Werks ausgebliebenen, aber relevanten Schritt des Lektorats mitaller nötigen Behutsamkeit und Verantwortung nachzuholen. Er muss sich dabei in starkem Maße auf seine Erfahrung und sprachliche Intuition stützen, um zwischen der bewusst als Stilmittel eingesetzten Verfremdung und dem krankheitsbedingten »Ausrutscher« zu unterscheiden. Ersteres wird auf keinen Fall geglättet, eher umgekehrt verstärkt und damit als Kunstgriff kenntlich gemacht. Letzeres wird, wo es geht, behoben und im Anhang dokumentiert und erläutert.
     
    Alexander Nitzberg, Wien 2012

Leser, mir nach – du bist frei!
    Nachwort von Felicitas Hoppe
    »Es war Frühling, eine heiße Dämmerstunde am Patriarchenteich.« Mit dem so schönen wie einschüchternden Auftrag versehen, ein Nachwort zu Alexander Nitzbergs Neuübersetzung zu schreiben, hatte ich eben damit begonnen, das Meisterwerk ein viertes Mal zu lesen, als mich eine Post meines Freundes Jan aus Amsterdam erreichte, in der er mich fragte, ob ich jemals etwas von einem gewissen Bulgakow gehört hätte. Man habe ihm (Jan) kürzlich die Mitgliedschaft in der Paustowski-Gesellschaft angetragen, dabei sei er auf jenen anderen Autor und dessen »Meister und Margarita« gestoßen. Allerdings tue er sich schwer mit der Lektüre, ein Buch voller seltsamer Ereignisse und Begebenheiten, bevölkert von merkwürdigen Gestalten, halb Menschen, halb Teufel, Dämonen und Tiere, allesamt Trickkünstler und Varietétypen, die sich so elegant wie mühelos durch städtische Landschaften und außerplanetarische Dimensionen bewegten, unbekümmert um Kategorien wie Ort, Zeit und schlüssige Handlung. Ein phantastischer Text, ein literarisches Irrenhaus (Jan, sei bemerkt, ist nicht nur weltliterarisch und literaturkritisch belesen, sondern kennt sich auch in Fragen praktischer Psychiatrie bestens aus.), grotesk und romantisch zugleich, Faust und E.   T.   A. Hoffmann in einem, obenauf eine aufdringlich die Geschehnisse
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